Predigt Juni 2012
Queergottesdienst am 17.06.2012, St. Johanniskirche Nürnberg
Lesungstext: Johannes 3,33-30
Liebe Queergemeinde!
Heute beschäftigen wir uns mit der Person Johannes d. Täufers.
Johannes war Sohn von Zacharias und Elisabeth; er stammt aus einem Predigergeschlecht und wurde, so steht es im Lukasevangelium, ein halbes Jahr vor Jesus geboren.
In der Öffentlichkeit taucht Johannes wieder in seiner Eigenschaft als der Täufer auf. Er wurde in der Nachfolge der alttestamentlichen Propheten gesehen, er lebte asketisch in der Wüste, fastete, ernährte sich von Wildhonig und Heuschrecken und war nur mit einem Fellumhang bekleidet. Johannes stand der Glaubensgemeinschaft von Qumran nahe. Er predigte von der Umkehr, einen Neuanfang und einer vollkommenen Ausrichtung zu Gott hin. Zum Zeichen für diesen Neuanfang taufte er seine Anhänger im Jordan. Die Taufe, also das Untertauchen im Wasser ist Symbol für die Unterwerfung vor Gott und dem jüngsten Gericht, damit ihnen, wenn es kommt, Vergebung der Sünden und Rettung zuteil wird. Johannes wird von seinen Anhängern immer wieder als der Messias angesehen, verweist aber dabei stets auf Jesus. Das dazu passende Zitat heißt: "Er muß wachsen, ich aber muß abnehmen". Geschickterweise hat man im Zuge der Inkulturation den Johannestag auf die Sommersonnwende gelegt, weil von da an die Länge der Tage abnimmt. Rechnet man die 6 Monate, welche Jesus nach Johannes geboren wurde, dazu, findet man sich in der Wintersonnwende wieder, weshalb Weihnachten am 24. Dezember stattfindet. Christi Geburt soll historisch zu einem ganz anderen Datum gewesen sein.
Da Johannes einzig die Autorität Gottes und nicht die weltliche anerkennt, gerät er natürlich in Konflikt mit dem dmaaligem Herrscher, den Herodes Antipas. Herodes hatte Johannes in den Kerker geworfen. Grund dafür war, daß Johannes den Herodes kritisiert hatte, weil dieser die Frau seines Halbbruders, sprich: seine Schwägerin, geheiratet hatte. Laut dem römischen Geschichtsschreiber Flavius war der Grund der Verhaftung des Johannes allerdings ein anderer: Johannes und seine Anhänger waren auf der Seite von Aretas, welcher gegen Herodes Antipas bei Machaerus Krieg geführt hatte. Herodes konnte Johannes nicht hinrichten, weil dieser eine große Anhängerschaft hatte, und er deswegen einen Aufstand fürchten mußte. Durch die Hintertür gelang es ihm schließlich doch: nämlich hatte er an seiner Geburtstagsfeier die Tochter seiner Frau, die schöne Salome, zu Gast, welche einen unglaublich anmutigen Tanz aufführte. Herodes fragte sie, wofür er sie belohnen könnte, und sie wünschte sich das Haupt Johannes des Täufers, auf einer Silberschale serviert. Prompt wurde ihr der Wunsch erfüllt. Und Herodes war fein raus, weil er hatte ja Johannes nicht hingerichtet, sondern er hatte ja nur Salome ein Geschenk gemacht. Der wegen Homosexualität zu Zuchthaus verurteilte englische Dichter Oscar Wilde verfaßte dazu das Drama "Salome", welches Richard Straus zu einer Oper vertonte.
Johannes hat in unserer Kultur eine so große Bedeutung, daß nicht nur die Johannsibeere, das gegen depressive Verstimmung helfende Johannskraut, die bananenartigen Schoten des Johannisbrotbaumes, und der putzige Leuchtkäfer, das Johannsiglühwürmchen nach ihm benannt sind. Auch gibt es unzählige Volksbräuche rund um den Johannistag; als wichtigstes vielleicht das Johannisfeuer. Der Name Johannes taucht in der gesamten christlichen Welt, in den verschiedensten Sprachen in allen möglichen Variationen auf: Johann, Hans, Hannes, Jan, Jens, Jean, John, Ivo, Iwan, Yannick.
Die Geschichte von Johannes d. Täufer ist ja wahrlich eine ebenso bewegte wie schreckliche. Da stellt sich für mich als offen schwul lebender Mann aus dem 21. Jahrhundert, was mich wohl mit dem Prdeiger und Wüstenmensch von vor 2 000 Jahren verbindet? Aus einer Predigerfamilie stamme ich nicht, vielmehr aus einer absolut unadeligen Bauernfamilie. In die Wüste zieht es mich gar nicht, ich kenne allenfalls ein wüstenähnliches Gefühl aus der Zeit vor meinem Coming Out. Honig und Heuschrecken essen? Ne, lieber habe ich eine duftende Lasagne auf dem Teller und trinke ein schönes Glas Rotwein dazu. Askese und Enthaltsamkeit: Fehlanzeige! Wie magisch zieht es mich doch immer wieder zum männlichen Geschlecht hin.
Sich lediglich mit einem einfachen Fell bekleiden? Nein, da lege ich vielmehr doch Wert auf ein sauberes Hemd und Hose!
Fernab der Zivilisation in der Wüste leben? Da ziehe ich doch ein richtiges Haus mit fließend warmes und kaltes Wasser ganz klar vor!
Anhänger um mich sammeln und sich in Kriegsgeschehen einmischen: kommt für mich, der damals Zivildiesnt gemacht hat, auch nicht in Frage.
Und mein irdisches Ende kann ich mir auch schöner vorstellen, als geköpft und dann dem Herrscher serviert zu werden.
Also, je mehr ich den Johannes und mich, den Hans miteinander vergleiche, desto weniger Gemeinsamkeiten kann ich entdecken. Also könnte ich jetzt den Johannes vergessen! Und doch bleibt ein Aspekt bei Johannes, welcher doch verbindend ist. Dies zeigt sich in dem zentralen Satz, mit dem er in Verbindung gebracht wird: "er aber wird wachsen, ich muß abnehmen". Und dabei zeigt er auf Jesus. Johannes ist der, der uns den Weg zu Jesus weist. Johannes ist nichts anderes als ein Wegweiser. Und es kommt einzig auf den an, auf den er zeigt, nicht auf ihn selber. Wer glaubt schon an einen Wegweiser, an ein Hinweisschild? Auf Jesus hinzustreben, das kann Auftrag sein, auch für uns als Lesben, Schwule und Transmenschen.
Amen.