Predigt August 2007
Queergottesdienst am 16.09.2007
Predigt zu Lukas 17, Verse 5-6
Liebe Queergemeinde,
als ich zum ersten Mal den Predigttext für den heutigen Queergottesdienst sah, dachte ich mir nur: „Oh je!“ Zwei kurze Verse und mehr als offensichtlich war für mich klar: Das Thema meiner Predigt heißt „GLAUBEN“ und noch genauer „Wie kann man glauben“. Noch mal ein „Oh je, wie soll ich das erklären? Kann man das überhaupt mit Worten erklären?“. Ein wenig kam mir der ironische Gedanke, ihr als Queergemeinde seid die Jünger und fordert mich auf: „So, jetzt erklär uns das mal. Stärke unseren Glauben!“ Und am liebsten würde ich kurz und bündig wie Jesus antworten „Wenn euer Glaube doch zumindest so groß wäre wie ein Senfkorn, dann würde ich jetzt um diese Predigt kommen.“
Zwei kurze Verse aus dem Lukasevangelium haben wir gerade gehört. Aber es sind zwei Verse, die es in sich haben. Zwei Verse, auf die der Spruch zutrifft: In der Kürze liegt die Würze. Die Verse stehen im Gesamtzusammenhang mit einer Lehrunterweisung Jesu an seine Jünger. Was die Jünger da aber von Jesus zu hören bekommen, scheint für sie absolut unmöglich, Forderungen, die als unerfüllbar gelten. Und ihre einzige Reaktion auf das Gehörte ist ein „Stärke unseren Glauben“, was soviel heißt wie: „Jesus, wir schaffen das nicht. Das geht nicht.“ Wenn es nach Jesus geht, würden sie es aber schaffen: „Wenn euer Glaube auch nur so groß wäre wie ein Senfkorn, würdet ihr zu dem Maulbeerbaum sagen: Heb dich samt deinen Wurzeln aus dem Boden und verpflanze dich ins Meer!, und er würde euch gehorchen.“ Was für ein Schlag ins Gesicht, muss diese Antwort für die Jünger gewesen sein!
Sie kommen mit ihren Glaubenszweifel zu Jesus und anstatt, dass er ihnen da raus hilft, dann das!
Auf den ersten Blick werden sich die Jünger vielleicht auch ein „Oh je!“ gedacht haben.
GLAUBEN und vor allem WIE GLAUBEN. Ein nicht unbedingt einfaches Thema, schließlich weiß jede und jeder von euch, wie kompliziert das manchmal alles ist. Wer hat nicht schon seine Phasen gehabt, in denen er an seinem Glauben gezweifelt hat oder gar am Glauben verzweifelt ist und ihn aufgegeben hat ? Ja, selbst Heilige und Selige der Kirchengeschichte berichten von ihren Glaubenszweifel. Aktuell sind vor wenigen Tagen zum 10. Todestag von Mutter Theresa Briefe veröffentlicht worden, aus denen hervorgeht, wie allein sie sich manchmal gefühlt hat, sogar von Gott verlassen, ohne Glaubenssinn, einfach leer. Abgesehen davon, was soll das Thema GLAUBEN überhaupt noch in unserer aufgeklärten Welt. Wir glauben nicht, wir wissen, womit wir bei der Verwendung des Wortes GLAUBEN in unserer Alltagssprache angekommen sind.
Was verstehen wir unter GLAUBE? Oft gebrauchen wir dieses Wort ja ein bisschen geringschätzig, nämlich dann, wenn jemand ungenaue Aussagen macht, die nicht so ohne weiteres überprüfbar sind. Glauben bedeutet dann: Jemand weiß es nicht so genau, nimmt aber an, dass es sich so verhält, wie er sagt.
Manchmal kommt es vor, dass wir etwas lesen oder hören, das uns sehr unwahrscheinlich oder phantastisch vorkommt. Dann reagieren wir oft mit dem Ausruf: „Das glaub' ich nicht!“. Glauben bedeutet in diesem Fall etwas für wirklich oder wahr halten.
Und dann gibt es noch eine weitere Bedeutung auf einer anderen Ebene, die bei dem Anspiel zu Beginn des Gottesdienstes auch zur Sprache kam. Da zweifelte einer an sich, ob er es schafft, seine Seminararbeit zu schreiben. Er hat schon mal schlechte Erfahrung damit gemacht. Und die Antwort des anderen war darauf: „Ich glaube an dich, dass du es schaffst!“. Oder noch ein Beispiel: Jemand wird von einer Gruppe beschuldigt etwas schlimmes getan zu haben, obwohl er es abstreitet. Ein Freund hält zu ihm und unterstreicht dies mit den Worten: „Ich glaube dir“. Mit diesem Satz bringt er zum Ausdruck, dass er ihm vertraut, auch wenn so manches gegen ihn spricht.
Glauben hat also meistens etwas mit Beziehungen zu tun. Wenn ich glaube, habe ich das Gefühl, jemandem vertrauen zu können, dann traue ich ihm zu, dass er für mich das Beste will und mir hilft, wenn es möglich ist. Da, wo mir jemand glaubt oder an mich glaubt, kann ich so sein, wie ich bin. Da muss ich mich nicht klüger oder stärker machen, als ich wirklich bin. Da werde ich angenommen, obwohl ich Fehler mache und nicht perfekt bin.
Aber wie in jeder Beziehung zwischen Menschen tauchen ab und zu Zweifel auf. Liebt die andere oder der andere mich wirklich noch? Bin ich gut genug für ihn, für sie? Oder gibt es da jemand anderes, der oder die klüger, schöner, besser ist als ich?
Genauso geht es den Jüngern Jesu im heutigen Predigttext. Sie erleben, dass Jesus trotz schwieriger Situation nicht von seinem Glauben an Gott abwich. Er glaubte in scheinbar allen Lebenslagen, dass Gott bei ihm ist, dass er ihm hilft, seinen Auftrag zu erfüllen. Seine Beziehung zu Gott ist perfekt. So wie Jesus glauben, das mochten die Jünger auch und vor allem mochten sie genau die gleichen Wunder vollbringen. Aber im Vergleich mit Jesus kommt ihnen ihr eigener Glaube unzureichend und schwach vor. Es ist nicht die Rede davon, dass sie keinen Glauben haben, sondern „nur“, dass sie der Ansicht sind, dass er für ihren Auftrag zu schwach erscheint. Es geht also um ein MEHR an Glauben. Mir selbst ist so eine Situation wie die der Jünger mehr als vertraut. Wie oft stehe ich vor einer Aufgabe und habe meine Zweifel: Wird es gut werden? Schaffe ich das? Da bin ich voller Angst, manchmal bis zur Panik. Momente, in denen ich mich danach sehne, dass mein Glaube stark und mächtig ist und ich im Vertrauen auf Gott mein Leben und diese Aufgabe meistern kann.
Was soll nun diese komische Antwort Jesu auf meine Zweifel: „Wenn euer Glaube nur so groß wäre wie ein Senfkorn ...“ ? Wie schon zu Beginn gesagt, diese Antwort erscheint auf den ersten Blick wie ein Schlag ins Gesicht. Auf den ersten Blick! Und auf dem zweiten Blick? Da muss ich nach einigem Nachdenken gestehen, da macht mir die Antwort Jesu Mut, ja sie erleichtert sogar meine Zweifel. Warum ? Betrachten wir einmal dieses Bild mit dem Senfkorn und dem Maulbeerfeigenbaum näher (bei Matthäus ist in diesem Zusammenhang von einem Berg die Rede).
Der Maulbeerfeigenbaum ist einer der mächtigsten Bäume. Er gilt vor allem wegen seiner Stacheln und noch mehr wegen seiner Wurzeln als unausreissbar. Unendlich tief ins Erdreich reichen sie. Als Gegenstück dann das Senfkorn, das kleinste aller Körner, kaum Stecknadelkopf-groß als Bild für meinen Glauben. Und dieses winzige Senfkorn an Glauben genügt.
Nun an dieser Stelle meiner Predigt muss ich mein „Oh je“ von Anfang zurücknehmen. Nicht, weil ich drum herumkomme, euch erklären zu müssen, WIE man glaubt -vermutlich kann man das auch gar nicht in Worte fassen und darum geht es Jesus auch in keinster Art und Weise, er will auch hier keine Dogmatik abliefern, wie man das richtig macht, sondern es geht darum, dass man glaubt. Und das trotz allen Zweifels. Es gehört nicht viel dazu, da geht es nicht um ein Mehr oder Weniger an Glauben, das man auf einer Skala abmessen kann und je höher der Wert desto besser. Nein, dieses Bild vom Senfkorn zeigt mir, dass auch mein geringster Glaube zu großen Wundern möglich ist, dass ich mit ihm bildlich gesehen Berge versetzen und Bäume ausreißen kann. Für mich heißt dieses winzige Senfkorn Glaube: Ich vertraue auf Gott, der in meinem Leben mächtig ist, der mich führt und auf den ich mich verlassen kann. Ich setze mein Leben auf den, der mich täglich herausfordert und lockt, der Phantasie – und kraftvoll in meinem Leben wirkt. Ich muss und ich kann auch nicht alles alleine machen. Für manchen von euch mag das zu banal klingen und ich kann auch nur sagen, dass dahinter eine tiefe persönliche Glaubenserfahrung steht. Wenn ich mich darauf einlasse, dann kann es gut werden, dann kann aus diesem kleinen Senfkorn eine mächtige Pflanze werden. Und so wünsche ich euch allen diese Erfahrung, dass solch ein winziges Körnchen Zutrauen in Gottes Führung genügt.
Abschließen möchte ich noch mit einem Gedanken des Schweinfurter Pfarrers Roland Breitenbach, der schreibt:
„Glaube ist wie ein Samenkorn:
Er wächst.
Glaube ist wie ein Wassertropfen:
Er höhlt den Stein.
Glaube ist wie ein Lichtstrahl:
Er durchbricht die Dunkelheit.
Glaube ist wie Salz:
Er macht alles schmackhaft.
Glaube ist wie ...“
Amen