Predigt Juli 2011
Queergottesdienst am 17.07.2011
Predigt zu Johannes 4,5-14
Glaube – Quelle meines Lebens
Wie wir gerade gehört haben, wird davon berichtet, dass Jesus eine lange Reise hinter sich hatte, nämlich von Judäa nach Galiläa, und sich an einem Brunnen ausruhte.
Hier begegnen wir Jesus als ganzen Menschen, der auch seine körperlichen Grenzen hat, müde ist und Ruhezeiten braucht.
Er nimmt sich diese Auszeit und setzt sich an einen Brunnen.
Er ist ganz bei sich und schöpft nach neuen Kräften.
Er zeigt sich uns authentisch, ja wahrhaftig.
Jesus ist ganz in seiner Mitte und sitzt an einem Brunnen.
Ich kann mir das richtig vorstellen, wie er dasitzt, vielleicht dem leichten Sprudeln der Quelle zuhört, die Sonne scheint, es ist warm, Vögel zwitschern, ein Hund bellt in der Ferne und Menschen gehen ihrer Wege.
Und in der Szenerie sitzt Jesus, ist ganz bei sich, ist in seiner Mitte.
Auch wir stellten in unserer Gottesdienstvorbereitung fest, dass wir manchmal kurze Phasen im Leben haben, in denen wir ganz in unserem Selbst sind und einen inneren Frieden spüren.
Dann bekomme ich das Gefühl, dass die Sicht schärfer wird, ich die Welt umarmen könnte und sich der Himmel über mir weitet. Meine Sinne werden offener nach außen, und nach innen bekomme ich das Gefühl, dass ich ein bisschen mehr von den Zusammenhängen des Lebens verstehe, Klarheit bekomme, in meinem inneren Frieden Kraft auftanken kann.
Genauso stelle ich mir das in diesem Bild bei Jesus vor. Und in dieser Atmosphäre ist es ihm möglich, Begegnung zuzulassen, und sich durch seine innere Ruhe, ganz aufmerksam nach außen richten zu können.
Und lange brauchen wir als Leserinnen und Leser der Bibel auch nicht warten und es kommt eine Samariterin, die Wasser schöpfen will aus dem Brunnen.
Und so werden wir als erstes Zeugen einer typischen Grenzüberschreitung von Jesus: Es ist Jesus nicht wichtig, dass er eine Samariterin vor sich hat, sie stammt aus einer Gruppe, die mit den Juden nicht verkehren und wenn wir im Weiteren lesen, dass die Frau erstaunt ist, dass Jesus sie anspricht, so bekomme ich das Gefühl, dass die Ablehnung von Seiten der Juden ausgeht, dass sie ihre Grenzen den Samaritern gegenüber gezogen haben und nicht umgekehrt.
Jesus sind diese Grenzen nicht wichtig und er kann sie wahrscheinlich deshalb aufheben, weil er einen tiefen Frieden in sich trägt und dadurch nicht von gesellschaftlichen Vorgaben geleitet wird.
So geht er mit freiem Herzen auf die Frau zu und bittet sie: „Gib mir zu trinken.“
Er bittet eine Frau, seinen Durst zu löschen.
Eine Grenzüberschreitung im doppelten Sinne: Jesus spricht ganz unbefangen eine Frau an. Frauen sind zu der damaligen Zeit nicht sehr viel wert in der Gesellschaft, in der Männer dominierten und in vielen Ländern ist das ja auch bis heute noch so.
Jesus setzt immer wieder Zeichen, dass er es nicht so hält und eine andere Meinung hat:
Er spricht Menschen anderer Gruppierungen an, Randgruppen, Ausgegrenzte und Verlierer.
Die Frau ist vielleicht auch in diesem doppelten Sinne erstaunt darüber, als Frau und Samariterin und wenn wir uns über den heutigen Lesungstext hinaus weiter über die Frau informieren, eine Sünderin, die 5 Männer hatte und jetzt in Liebe zu einem Mann steht, mit dem sie nicht verheiratet ist.
Sie weist Jesus auf seine Überschreitung hin, spricht aus, was ja jahrelang ihre gesellschaftlichen Erfahrungen sind.
Eine Frau in ihrem persönlichen Chaos, in der Vieles durcheinander ist. Und genau sie trifft den Mann, der in sich ruht.
Jesus antwortet ihr: Wenn du das Geschenk Gottes kennen würdest……
Das Geschenk Gottes?
Was meint Jesus damit?
Wir waren in der Vorbereitung der Ansicht, dass das Geschenk Gottes bedeutet, dass er uns von Anfang unseres Lebens an ganz annimmt, so wie wir sind, egal in welchem inneren Durcheinander wir uns befinden oder wie viel Ruhe wir in uns tragen.
Das Geschenk Gottes ist vergleichbar mit einem Brunnen, in dem eine Quelle fließt: Wir können immer daraus schöpfen, wir können uns immer wieder von seiner Liebe erfüllen lassen, uns von seiner Zusage bejahen lassen.
Wir können uns zu Jesus an den Brunnen setzen.
Und Jesus bestätigt es uns in dem Lesungstext: Alle, die von dem Wasser trinken, das ich ihnen gebe, werden bis in Ewigkeit nicht mehr durstig sein, sondern das Wasser, das ich ihnen geben werde, wird in ihnen zu einer Quelle sprudelnden Wassers für das ewige Leben werden.
Wir Christen haben durch Johannes des Täufers ein Zeichen dafür gefunden, dass wir an Gottes Quelle schöpfen dürfen: Durch die Taufe.
Wir werden am Anfang unseres Lebens getauft, bekommen sozusagen ein Wasserzeichen mit, ein Siegel, mit dem wir aufgerufen sind, uns an der Quelle der Zusage Gottes zu laben und uns erfüllen zu lassen.
Was können wir tun, damit wir an diese Quelle kommen können, damit wir uns an den Brunnen zu Jesus niederlassen können?
Wir als Menschen sind begrenzt und das Geschenk Gottes an uns anzunehmen, ist nicht einfach.
Gerade in der heutigen Zeit sind wir abgelenkt von vielen Dingen in unserer hektischen Zeit: Die Medienflut und der extreme materielle Konsum halten uns in Atem, oftmals merken wir gar nicht, wie sehr wir unserer Zeit beraubt werden, wenn wir den ganzen Abend durch das Internet surfen und auf einmal ist es Mitternacht.
Dies sind unsere Ersatzdrogen, die die eigentliche Quelle des Lebens überdecken.
Jesus sagt zu der Samariterin: „Alle, die von diesem Wasser trinken, werden wieder durstig werden.“
Und so ist es auch in unserer Welt: Das Karussell nach mehr und mehr und schneller und schneller dreht sich unaufhörlich. So bleiben wir durstig.
Also nochmal eindringlicher: Was brauchen wir dazu, damit wir an die Quelle Gottes gelangen können?
Die Taufe allein ist kein Garant dafür, der uns automatisch befähigt, immer die Möglichkeit zu finden, das Geschenk Gottes anzunehmen.
Wir brauchen als erstes die Sehnsucht: Die Sehnsucht nach ihm, der Ja zu uns sagt, von dem wir uns beschützt und beschirmt fühlen dürfen.
Und gerade diese Sehnsucht wird für uns Erwachsene so schwer spürbar durch alle Ablenkungen und durch das Übermaß an Wahrnehmungen und Möglichkeiten im Alltag.
Bei Kindern ist das anders, sie können diese Sehnsucht noch spüren und ist nicht durch das Vielerlei überschattet.
Dies konnte ich ganz oft in meinem Berufsalltag erleben, dass die Kinder diese Sehnsucht haben, nach Gott fragen, ganz neugierig sind auf die Geschichten in der Bibel. Und wenn ich die Bibel mit in den Morgenkreis bringe zu den Kindern, dann entsteht immer eine besondere Atmosphäre: Es wird ganz von alleine still, andächtig still, es bekommt eine Dichte, eine Stärke. Die Kinder sind ganz anders aufmerksam, als sonst, wenn ich ihnen ein Bilderbuch vorlesen würde, sie sind ganz da, ganz in ihrer Mitte.
Und sie nehmen selbstverständlich diese Zusage Gottes an und sagen: Gott ist immer bei mir, er passt immer auf mich auf. Meinem Opa geht es jetzt gut, denn er ist jetzt bei Gott. Gott hält uns alle in der Hand.
Die Kinder sitzen im übertragenden Sinne, wenn sie von Jesus hören, mit ihm am Brunnen.
Also wäre ein erster möglicher Schritt für uns: Wieder auf die Sehnsucht schauen, bzw. in uns hinein hören und diese Sehnsucht finden.
Was brauchen wir noch? Meiner Ansicht nach brauchen wir unseren Glauben: Natürlich ist der nicht mehr so selbstverständlich und linear ausgerichtet wie der der Kinder.
Unser Glaube ist wie ein Weg, und den können wir lebenslang beschreiten. Wir dürfen uns jederzeit mit unserem Glauben auseinandersetzen, Gott lässt uns allen Raum dafür. Wir können in schnellen Schritten gehen oder schlendern, wir dürfen auch mal am Wegrand sitzen bleiben, durchatmen.
Gott gibt uns die Freiheit, mit unserer Sehnsucht und unserem Glauben sooft seine Quelle des sprudelnden Wassers, des ewigen Lebens, zu besuchen und aus ihr zu schöpfen.
Wir können die Entscheidung treffen, uns auf den Weg zu machen, täglich neu.
Er hält diese Quelle des ewigen Lebens, seine Zusage zu uns in seiner unendlichen Liebe, ein Leben lang für uns bereit.
Es liegt an uns, dahin zu gehen und uns zu Jesus an den Brunnen zu setzen. Jesus wartet auf uns. Er ist schon da.
Mit unserer Sehnsucht und unserem Glauben können wir uns immer wieder auf diesen Weg zur sprudelnden Quelle des ewigen Lebens machen.
Dort können wir den Durst unserer Seele stillen.
Gott, ich möchte dir für diese wunderbare Zusage und Einladung bedanken, mich zu dir an den Brunnen setzen zu können, an dem du lebendiges Wasser für mich bereithältst und mir so viel davon schenkst, wie ich brauche.
Amen.