Predigt September 2014

Queergottesdienst am 21.09.2014, St. Johanniskirche Nürnberg

Predigt zu 1. Mose 4,1-16

„Was haben Kain und Abel mit den Wechselfällen des Lebens zu tun?“

Liebe Queergemeinde,

wer von Euch hatte nicht einmal in seinem Leben den Wunsch verspürt, seinen Bruder oder seine Schwester umzubringen? Wieder einmal wurde er oder sie bevorzugt, bekam die ganze Aufmerksamkeit und Anerkennung. Das was mit Kain bis zur Mitte in dieser Geschichte geschah war doch richtig unfair. Er gab Gott seine geernteten Früchte als Opfergabe dar. Abel, vielleicht nur gleichziehend mit seinem Bruder, bereite Gott ein Wildbrett. Wie auch immer, es waren ebenbürtige Opfergaben. Aber der Herr blickte wohlwollend nur das Opfer von Abel an. Kains Opfergabe hingegen lies er unbeachtet. Es ist doch nur allzu verständlich, dass Kain wütend wird, eifersüchtig und neidisch auf seinen jüngeren Bruder. Ein typischer Bruderzwist, Geschwisterrivalität und Eifer um Anerkennung bei Gott.

In unseren Alltagssituationen passiert es uns eben auch oft vor Neid gelb zu werden, wenn wir mitbekommen, dass ein reicher Mensch noch mehr Kohle scheffelt, sich an unserer finanziellen Situation entweder nichts nennenswert ändert oder die Einkommenssteigerung des anderen ohnehin außerhalb unserer Reichweite ist.

Es kommt die Eifersucht in uns hoch, wenn wir wieder mal ansehen müssen, das eine oder einer auf einer Party jemanden abschleppt und uns das nicht gelingt, weil der andere nicht mal auf uns blickte.

Zudem stellt sich eine Verwunderung ein, wie macht der das bloß? Wie kann die sich das überhaupt leisten? Wir sind doch von unseren finanziellen Möglichkeiten doch gleich. Er oder sie sieht auch nicht besser aus als ich. Warum werden wir derart unterschiedlich behandelt?

Kain und Abels Geschichte ist nicht so ungleich, wie es auf den ersten Blick scheint. Schauen wir uns die Überlieferung genauer an: „Und der Mensch erkannte seine Frau Eva, und sie wurde schwanger und gebar Kain; und sie sagte: Ich habe einen Mann hervorgebracht mit dem HERRN.“ Nur Kain wurde bei der Geburt von seiner Mutter erwähnt, nicht Abel! Eva hat wohl ihren Erstgeboren bevorzugt. Nach dem Gott Kains Opfergabe unbeachtet lies, ignorierte er Kain nicht als er dessen Zorn spürte. „Und der HERR sprach zu Kain: Warum bist du zornig, und warum hat sich dein Gesicht gesenkt? Ist es nicht so, wenn du recht tust, erhebt es sich? Wenn du aber nicht recht tust, lagert die Sünde vor der Tür. Und nach dir wird ihr Verlangen sein, du aber sollst über sie herrschen.“ Gott warnte Kain, dass wenn er sich von seiner Wut, Missgunst und seinem Neid übermannen lässt, die Sünde bei ihm Einkehr hält. Gott will uns vor der Sünde beschützen, die Sünde darf den Menschen nicht beherrschen. Und auffällig ist, dass die Sünde in diesem Text als drittes Wesen erscheint, also personifiziert ist.

Aber nun spitzen sich die Ereignisse fatal zu: „Und Kain sprach zu seinem Bruder Abel. Und es geschah, als sie auf dem Feld waren, da erhob sich Kain gegen seinen Bruder Abel und erschlug ihn.“ – Aller Warnung und gutem Ratschlag zum Trotz tötet Kain seinen Bruder Abel. Die Sünde hat Kain beherrscht. Es ist zur Katastrophe gekommen. Abhängig von der Übersetzung kann man es auch als Tötung im Affekt bzw. Totschlag deuten: „Als sie zufällig auf dem Feld waren.“ Egal wie man es betitelt, eine (vermeintliche) Ungleichbehandlung rechtfertigt keinen (Bruder)Mord. Kain zerstört die Beziehung zu seinem Bruder und stört bzw. zerstört die Beziehung zu Gott.

„Und der HERR sprach zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel?“ Als ob Gott es nicht wüsste. „Und Abel sagte: Ich weiß nicht. Bin ich meines Bruders Hüter?“ Sich erstmal dumm stellend oder beschämt von seiner Schuld? „Und der HERR sprach: Was hast du getan! Horch! Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden her. Und nun, verflucht seist du von dem Ackerboden hinweg, der seinen Mund aufgerissen hat, das Blut deines Bruders von deiner Hand zu empfangen! Wenn du den Ackerboden bebaust, soll er dir nicht länger seine Kraft geben; unstet und flüchtig sollst du sein auf der Erde!“ Kain schafft eine Situation, die verheerend ist, deren Konsequenzen er nicht abschätzen kann. Der Ackerboden, von dem er lebt, ist verseucht, ist verflucht. Er wird nirgendwo sesshaft werden können und immer auf der Flucht sein, nicht nur wegen den Folgen seiner Tat, sondern wegen seiner Schuld an sich.

„Da sagte Kain zu dem HERRN: Zu groß ist meine Strafe, als dass ich sie tragen könnte.

Siehe, du hast mich heute von der Fläche des Ackerbodens vertrieben, und vor deinem Angesicht muss ich mich verbergen und werde unstet und flüchtig sein auf der Erde; und es wird geschehen: Jeder, der mich findet, wird mich erschlagen.“ Kain fleht Gott an, nicht dieses Urteil über ihn zu verhängen. Seine Strafe oder anders übersetzt seine Schuld ist ihm zu schwer als dass er sie tragen könnte, sprich aushalten könnte. Zuerst wird ihm seine Lebensgrundlage, der Ackerbau, entzogen. Dann fürchtet er die Ächtung seines Schöpfers und danach die Rache seiner Mitmenschen.

„Der HERR aber sprach zu ihm: Nicht so, jeder, der Kain erschlägt - siebenfach soll er gerächt werden! Und der HERR machte an Kain ein Zeichen, damit ihn nicht jeder erschlüge, der ihn fände.“ Ja, was jetzt? Das soll es jetzt gewesen sein? Die Strafe Gottes kommt nicht zum tragen? Nun, so ist nun auch nicht. Kain muss keine Rache von seinen Mitmenschen fürchten. Durch das Kainsmal, dieses Erinnerungszeichen, weiß er genau was er getan hat. Gott straft Kain für seine Schuld, Gott straft uns für unsere Schuld, aber nicht auf dieselbe Weise wie die Tat, die begangen wurde. Wir haben also einen gnädigen Gott! Einen Gott, der uns nicht verstößt, wenn wir uns gegen ihn auflehnen, aber auch nicht mit unseren Taten davonkommen lässt, wie der letzte Vers nochmals verdeutlicht:

„So ging Kain weg vom Angesicht des HERRN und wohnte im Land Nod, östlich von Eden.“ Östlich von Eden, jenseits von Eden – das ist eine Anspielung auf 1. Mose Kapitel 3 (Die Vertreibung aus dem Paradies). Und das Land Nod bedeutet „Land der Heimatlosigkeit“.

Bemerkenswert ist, dass es erst nach dem Mord an Abel zum Zwiegespräch zwischen Gott und Kain kommt. Gottes Warnung vor der Sünde an Kain war ein reiner Monolog. Vermutlich war Kain bereits zu diesem Zeitpunkt vor Neid zerfressen und gar nicht mehr in der Lage mit Gott zu sprechen, also im Gebet sich an ihn zu wenden. Mit dem Neid beginnt die Sünde, das Einfallstor ins Verderben.

In eine ähnliche Situation wie Kain können auch wir leicht geraden. Neben der natürlichen Rivalität zwischen Geschwistern, das Eifern um die Gunst der Eltern, wollen wir doch auch im Berufsleben vor allem auch: Anerkennung haben, Erfolge vorweisen, die Karriereleiter aufsteigen. Man verspürt ja Druck von außen (Familie und Freunde), weiterzukommen und mehr Geld zu verdienen, besser und größer zu wohnen als bisher. Besonders Männer müssen sich Fragen gefallen lassen wie diese: Bist noch immer in der selben Position? Noch keine Gehaltssteigerung bekommen? Willst du dich nicht mal weg bewerben?

Ein anderer Kollege hat den Job erhalten, den man auch gewollt hätte, eine andere Kollegin wird in ein wichtiges Projekt einbezogen, man selbst nicht, ein Kollege schmückt sich mit fremden Federn, Lob bekommt jemand für eine Arbeit, die ich schon vor einem halben Jahr gemacht habe, bloß damals hat es keinen interessiert. Die Kollegin macht Urlaub zu einer Zeit, in der ich gerne auch frei genommen hätte. Bei all diesen Situationen kommen Gefühle wie Neid, Missgunst, Zurückgesetztheit und Machtlosigkeit hoch. Wir stellen oft fest: Es geht ja so vielen Menschen besser als mir. Es wird aber auch oft nicht bemerkt, dass es so vielen Menschen schlechter geht als einem selbst. Der negative Fokus wird in unserer Konsumgesellschaft verstärkt durch die Werbung, die uns andauernd suggeriert, wir brauchen alle schönen, tollen, neuen und noch besseren Produkte. Wir können jemand anderes, besseres, schöneres sein. Erkennen wir einen Menschen darin wieder, neigen wir zum Lästern, reden schlecht über sie oder ihn, manchmal artet es zum Mobbing aus. Dann frist der Neid uns genauso auf wie Kain. Wir werden blind, alles bessere Wissen, guter Rat kann von uns nicht mehr erkannt werden, wir machen genau das Falsche und stürzen ins Verderben.

Aber es ist ja nicht immer und in allen unseren Lebensabschnitten so, dass wir gegenüber anderen benachteiligt werden. Durch die Wechselfälle des Lebens steht der eine mal besser da als der andere und dann auch wieder umgekehrt. Eine zeitlang ist man das einzige Kind seiner Eltern und nach der Geburt der Geschwister stehen diese im Mittelpunkt – bis zur Schuleinführung (hatten wir erst vor einer Woche in Bayern), dann sind wieder alle Augen auf den 6 oder 7-Jährigen gerichtet.

Durch Abteilungswechsel oder Ruhestand bekommt man den Job des Kollegen. Ein neues Projekt wird geschaffen und diesmal ist Frau dabei. Bei der Urlaubsplanung setzt Frau sich diesmal durch.

Mit den Jahren hat man einiges an Geld angespart und von unerwarteter Seite kommt eine Schenkung oder ein Erbe. Nun kann man sich das leisten, was man schon immer kaufen oder unternehmen wollte.

Und in den schweren Zeiten, z. B. bei Krankheit oder dem Verlust eines nahen Angehören? Viele sagen: „Mein Leben ist mir zu schwer geworden“ – Sage es Gott, bete zu ihm. Deine Schwere musst du nicht alleine tragen, Gott geht diesen Weg mit dir.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.