Predigt Juli 2010

Predigt für den Queergottesdienst am 18. Juli 2010

 

Der Predigttext steht im 2. Buch des Mose, Kapitel 16

Die ganze Gemeinde der Israeliten murrte in der Wüste gegen Mose und Aaron. Die Israeliten sagten zu ihnen: Wären wir doch in Ägypten durch die Hand des Herrn gestorben, als wir an den Fleischtöpfen saßen und Brot genug zu essen hatten. Ihr habt uns nur deshalb in diese Wüste geführt, um alle, die hier versammelt sind, an Hunger sterben zu lassen. Da sprach der Herr zu Mose: Ich will euch Brot vom Himmel regnen lassen. Das Volk soll hinausgehen, um seinen täglichen Bedarf zu sammeln. Wenn sie am sechsten Tag feststellen, was sie zusammengebracht haben, wird es doppelt so viel sein, wie sie sonst täglich gesammelt haben. Da sagten Mose und Aaron zu allen Israeliten: Heute Abend sollt ihr erfahren, dass der Herr euch aus Ägypten geführt hat, und morgen werdet ihr die Herrlichkeit des Herrn schauen; denn er hat euer Murren gegen ihn gehört. Aber wer sind schon wir, dass ihr gegen uns murrt? Weiter sagte Mose: Wenn der Herr euch heute Abend Fleisch zu essen gibt und euch am Morgen mit Brot sättigt, wenn er also euer Murren hört, mit dem ihr ihn bedrängt, was sind wir dann? Nicht uns galt euer Murren, sondern dem Herrn. Dann sagte Mose zu Aaron: Sag der ganzen Gemeinde der Israeliten: Tretet hin vor den Herrn; denn er hat euer Murren gehört. Während Aaron zur ganzen Gemeinde der Israeliten sprach, wandten sie sich zur Wüste hin. Da erschien plötzlich in der Wolke die Herrlichkeit des Herrn. Der Herr sprach zu Mose: Ich habe das Murren der Israeliten gehört. Sag ihnen: Am Abend werdet ihr Fleisch zu essen haben, am Morgen werdet ihr satt sein von Brot und ihr werdet erkennen, dass ich der Herr, euer Gott, bin. Am Abend kamen die Wachteln und bedeckten das Lager. Am Morgen lag eine Schicht von Tau rings um das Lager. Als sich die Tauschicht gehoben hatte, lag auf dem Wüstenboden etwas Feines, Knuspriges, fein wie Reif, auf der Erde. Als das die Israeliten sahen, sagten sie zueinander: Was ist das? Denn sie wussten nicht, was es war. Da sagte Mose zu ihnen: Das ist das Brot, das der Herr euch zu essen gibt. Das ordnet der Herr an: Sammelt davon so viel, wie jeder zum Essen braucht, ein Gomer je Kopf. Jeder darf so viel Gomer holen, wie Personen im Zelt sind. Die Israeliten taten es und sammelten ein, der eine viel, der andere wenig. Als sie die Gomer zählten, hatte keiner, der viel gesammelt hatte, zu viel und keiner, der wenig gesammelt hatte, zu wenig. Jeder hatte so viel gesammelt, wie er zum Essen brauchte.

 

Predigt:

Die Geschichte des Auszugs aus Ägypten hält sich wohl auch deshalb seit 2000 Jahren, weil sie die Wüstenwanderungen aller Menschen symbolisiert.

Durch die Wüste wandern müssen nicht nur gleichgeschlechtliche Paare, die eine kirchliche Segnung wünschen. Jedes Coming-out ist so ein Aufbruch ins gelobte Land, das nur durch die Wüste zu erreichen ist. Ich meine jetzt nicht nur das Coming-Out homosexueller Menschen, ich meine jedes Herauskommen aus alten Zwängen, jeden Aufbruch in eine neue Freiheit, z.B. der Aufbruch in einen neuen Beruf, ein neuer Freundeskreis oder auch die Entscheidung für eine neue Lebenseinstellung. Diese Aufbrüche laufen meist in ähnlichen Schritten ab.

1. Phase: Die Sehnsucht

Alles beginnt mit der Sehnsucht.

Man entscheidet sich, das alte Leben zu verlassen und ein neues zu beginnen, in der Hoffnung auf ein besseres, lebendigeres und erfüllenderes Leben.

2. Phase: Der Aufbruch

Voll Begeisterung und Mut werden alte Knoten zerrissen und der Weg durch das rote Meer gewagt. Noch ist die Wolkensäule Gottes klar zu sehen.

3. Phase: Die Ernüchterung

Der Schwung endet, wo die Wüste anfängt. Es wird klar, was verloren ging und das Neue ist noch nicht zu sehen. Dann murrt das Volk: „Wären wir doch an den Fleischtöpfen Ägyptens geblieben“.  Im 4. Buch Mose ist das Murren noch schöner beschrieben. Die Israeliten jammern: „Wir denken an die Fische, die wir in Ägypten umsonst zu essen bekamen, an die Gurken und Melonen, an den Lauch, an die Zwiebeln und an den Knoblauch. Doch jetzt vertrocknet uns die Kehle, nichts bekommen wir zu sehen als immer nur Manna.“ Das Alte wird verklärt, das Neue ist völlig ungenügend. Und Gott ist schuld, der uns auf diese blöde Idee gebracht hat, aus der Sklaverei zu fliehen. Das wäre dann die Sehnsucht nach der scheinbar schönen Heterowelt. Doch es ist zu spät. Dein Coming-out steht schon im Internet, es gibt kein zurück mehr. Da musst du jetzt durch.

Und was machen wir dann in dieser verzweifelten Situation?

4. Phase: Der Protest

Wir beschweren uns bei Gott. Das Volk Israel muss Gott so richtig die Ohren vollgeheult haben, so oft muss der Text betonen, dass Gott das Murren des Volkes gehört hat. Das ist eine klare Aufforderung: Du darfst Gott die Ohren vollheulen: „Gott, lass endlich Brot vom Himmel regnen. Gott lass endlich ein Wunder geschehen.“

5. Phase: Die Aufgabe

Wenn du deine Bitte bei Gott abgegeben hast, dann darfst du aufgeben, wie der Prophet Jona, der sich beleidigt unter den Ginsterstrauch gesetzt hat. Dann darfst du auch auf Gottes Hilfe vertrauen, wenn du es schaffst. Denn das ist in verzweifelten Situationen schwer.

6. Phase: Vertrauensvolles Warten

Denn nun ist Gott dran. Und immer wieder kannst du dir das sagen: Jetzt ist Gott an der Reihe zu handeln. Und die Bibel verspricht uns, dass Gott handelt.

Das Problem ist nur: Wir wissen nicht, wann das Brot vom Himmel fällt, damit wir weiter wandern können. Wir wissen nur, es kommt zur richtigen Zeit. Da heißt es: vertrauensvoll Warten. 

7. Phase: Brot vom Himmel

Plötzlich – vor allem wenn du es nicht mehr erwartest - ist es soweit:

- Die Eltern versöhnen sich mit ihrem schwulen Sohn.

- Die Post bringt die Zusage eines neuen Arbeitgebers.

- Der geliebte Mensch sagt Ja.

Und das alles geht plötzlich so einfach. Dinge, die noch vor Kurzem unmöglich erschienen, sind Realität geworden. Wenn dir das vor ein paar Jahren jemand gesagt hätte, das es heute soweit kommt, du hättest ihn für völlig verrückt erklärt!

Bei Gott kann Brot vom Himmel fallen, ganz einfach, unerwartet, direkt vor deine Füße.

Und zwar soviel, „dass es euch zum Hals heraus hängt und ihr euch davor ekelt“ (4 Mose 11,20) Ihr werdet soviel Liebe bekommen, dass ihr davon betrunken sein werdet. Ihr werdet soviel Anerkennung erfahren, dass ihr es selbst kaum glauben könnt. Ihr werdet von allem, nach dem ihr jetzt schreit, im Überfluss haben. Das ist die Erfahrung der Menschen in der Bibel. Können wir diese Erfahrung oder zumindest diesen Glauben teilen?

Gott lässt Brot vom Himmel regnen!

Wer den Aufbruch wagt, der darf auf diese Hilfe Gottes vertrauen.

Unsere Frage war:

Wann fällt das Brot des Lebens endlich vom Himmel?

Die Antwort ist:

Dann wenn du es brauchst.

Amen