Predigt November 2005

Queergottesdienst am Sonntag, den 20. November
in der St. Johanniskirche in Nürnberg

Predigt zu Lukas 12, 35-48
Ewigkeitssonntag

In unserer alltäglichen Erfahrung gibt es zwei grundverschiedene Arten von Besuchen. Der eine meldet sich an, macht einen Termin und gibt uns damit die Gelegenheit, uns auf ihn einzustellen. Der andere wiederum überfällt uns spontan, ohne Rücksicht auf unsere persönliche Planung. Plötzlich steht er vor der Tür. Ein solcher Überraschungsbesuch bereitet den einen Menschen zuweilen wirklich Freude, aber ein anderer fragt sich da: Wie soll ich diesem „reingeschneiten“ Menschen gerecht werden, hab ich überhaupt was da, das ich ihm anbieten könnte? Kuchen , Plätzchen, Tee? Kann ich mich sofort frei machen oder bleibt wichtiges liegen?

Eine ähnliche Situation begegnet uns heute auch im Text aus dem Lukasevangelium. Da kommt ebenfalls einer zu Besuch: nämlich Jesus. Er kündigt sich zwar an, doch eine genaue Zeitangabe bleibt aus. Dieses Doppelgleichnis ist vom Verständnis her im Zusammenhang der sogenannten Parusieerwartung zu sehen. Nach dem Tod Jesu und der Auferstehung haben die Jünger darauf gewartet, daß Jesus wiederkommt, um das Reich Gottes zu vollenden, das mit ihm angebrochen ist. Und diese Erwartung war bei den Jüngern sehr groß und sie hatten bald damit gerechnet, noch zu ihren Lebzeiten. Doch ihre Erwartungen wurden enttäuscht. In diese Situation schreibt Lukas dieses Gleichnis. Darin fordert Jesus die Jünger zur Wachsamkeit auf. Jesu Jünger sollen Menschen gleichen, die auf den Herrn warten, wenn er kommt, damit sie ihm die Tür öffnen, wenn er anklopft. Zu diesem Appell Jesu paßt das Bild von den gegürteten Lenden und den brennenden Fackeln. Wäre das lange Obergewand nicht gegürtet, dann könnte der Knecht nicht zur Tür eilen und würde womöglich noch über sein Gewand fliegen und zu Boden stürzen. Wer sich also gürtet, der ist parat, ist bereit. Ebenso die brennenden Fackeln, die zeigen daß alles gerichtet ist für das Kommen des Herrn und sie nicht erst umständlich herbeigeschafft und angezündet werden müssen. Darüber hinaus wird der Ruf zur Wachsamkeit noch verschärft: und zwar durch die Ungewissheit über das Eintreffen des Herrn; keiner weiß, zu welcher Nachtstunde er kommen wird. Ebenso wird davor gewarnt, in dieser Wachsamkeit nachzulassen, in der Annahme, das Kommen des Herrn könnte sich hinauszögern.

Das ganze gleicht einer Bewährungsprobe, die jedoch positiv ausgehen kann: Diejenigen , die er wartend findet, die wird er höchstpersönlich bedienen. Der Herr wird zum Diener und bedient den Knecht! Wo wäre so etwas bei uns denkbar?

Im Unterschied dazu steht die Gestalt eines Knechtes , der zwar mit der Verzögerung rechnet, aber in seinem Frust anfängt, die Dienerschaft zu drangsalieren und selber ein ausgelassenes Leben zu führen. Unmißverständlich heißt die Quintessenz dieses Beispiels: jeder muß Rechenschaft ablegen je nachdem, was er erhalten hat und was ihm anvertraut wurde.

Dieses Gleichnis spricht eine Gesinnung an, die auf jeden von uns zutreffen kann, denn auch wir stehen ein Leben lang in der Gefahr, uns wie untreue Knechte zu verhalten.

Was heißt das nun konkret, vor allem dieses „Wachsam sein“? Und bezieht sich das wie man auf den ersten Blick meinen könnte, auf einen ganz konkreten Zeitpunkt, vielleicht ein „Danach“, ein Leben nach dem Tod, wenn das Gericht kommt und wir Rede und Antwort zu geben haben, wie unser Leben so abgelaufen ist? Ich denke: Nein. „Wachsam sein“ schließt ein ständiges Handeln ein. Nicht erst irgendwann, so kurz davor, wenn wir meinen, daß er kommt, sondern ein ständiges Handeln, weil man immer damit rechnen kann und muß. Die kontinuierliche Wachsamkeit besteht letztlich darin, sich umzuschauen, wo Christus, der Erwartete uns auch schon heute begegnet, in jedem Augenblick unseres Lebens, in jeder Begegnung in unserem Leben, so überraschend es auch sein mag, gegenwärtig zu sein. Nicht in der Vergangenheit leben oder auf die Zukunft warten, in der Gegenwart leben! Der Weg zur Zukunft führt auch nur über die Gegenwart. Wie kann es Zukunft geben, wenn die Gegenwart nicht bewältigt wird? Mit Christus ist das Reich Gottes nämlich schon lange angebrochen, wir brauchen nicht mehr darauf warten bis es irgendwann kommt, wenn wir uns darauf einlassen, wenn wir dementsprechend verantwortlich handeln, so wie es der erste Knecht tut, der immer mit dem Kommen seines Herrn rechnet und deswegen immer dementsprechend handelt,dann können wir auch heute schon einen Hauch davon spüren, dann ist auch heute schon etwas von dieser Ewigkeit spürbar, die Gott ist.

 

Bringen wir zum Schluß noch unsere Vampire mit ins Spiel. Komischer weise begegnet uns auch im Musical immer wieder ein „Seid bereit“  (vgl. den Titel „Gott ist tot“ der zu Beginn des Gottesdienstes zu hören war).

„Ewigkeit ist Langeweile auf Dauer. Kein Anfang und kein Ziel. Nur diese öde, blöde Ewigkeit.“ - so verfluchen sie alle miteinander ihren Zustand und warten sehnsuchtsvoll auf Erlösung. Die Ewigkeit , in der sich die Vampire begeben haben, sie ist Langeweile, weil sie immer das Gleiche tun, weil sie nicht fähig sind, den Kreislauf ihrer Untaten zu durchbrechen.

Diese ewige Langeweile kann für uns persönlich quasi als eine Metapher für das Tödliche VOR unserem Tod stehen,  das beginnt, wenn jemand nicht mehr umdenken kann. So wie Graf Krolock, der in seiner unstillbaren Gier seit 1617 bis heute eine nach der anderen bzw. auch einen Pagen aussaugt, weil er nicht anders kann.

Graf Krolock verhält sich für mich ähnlich dem zweiten Knecht, der seine Verantwortung vergessen hat, der zwar auf Erlösung hofft, aber trotzdem in seinem Frust ein ausgiebiges Leben führt und keinerlei Verantwortung mehr übernimmt. Für ihn hat das ja schon fast keinen Sinn mehr. Gott ist für ihn tot und er sucht auch nicht mehr nach ihm, geschweige denn, daß er ihn erwartet.

Wie oft wandeln wir selbst wie Graf Krolock durchs Leben, ja vielleicht auch - wenn ich das so sagen darf - durch die Szene? Und wie oft verhalten wir uns in unserem Frust wie der zweite Knecht? Ja, so entsteht wahrlich eine langweilige Ewigkeit.

 

Die Ewigkeit auf die wir hoffen und die wir erwarten, ist nicht bestimmt durch ein Vor oder Nach, sie ist bestimmt durch ein Jetzt. Die Dimension von Raum und Zeit wird in der Ewigkeit gesprengt, Ewigkeit heißt nicht ein endloses Weiterleben, Weitermachen oder Weitergehen so wie Graf Krolock, sondern ein endgültig Neues, ein Umdenken, ein „Wachsam sein“ wie im Evangelium, um definitiv bei Gott zu sein in und mit seiner Ewigkeit.

Amen