Predigt Januar 2007

Queergottesdienst am Sonntag, den 21. Januar 2007

Predigt zu Joh 4,5-14

Liebe Queergemeinde,

jeder und jede von uns kennt die Situation aus eigener Erfahrung: man ist an einem heißen Sommertag unterwegs , der Schweiß läuft einem runter und man bekommt Durst. In der Regel geht man dann in den nächsten Supermarkt oder in die nächste Kneipe und holt sich eben was zu trinken. Dann geht es wieder weiter und wenn der nächste Durstanfall kommt, dann wieder das gleiche Spiel. Flüssigkeit ist schließlich wichtig, 2-3 Liter am Tag werden von den Medizinern ja auch empfohlen.

In unserem heutigen Predigttext aus dem Johannesevangelium erleben wir eine ähnliche Situation mit Jesus. Zusammen mit seinen Jüngern war er auf der Reise von Judäa nach Galiläa und mußte hierbei Samarien durchqueren. Für einen Juden eigentlich eine Tabuzone, Feindesland. Seit über 140 Jahren durften die Juden mit den Samaritern keinen Kontakt haben – ohne , daß ich jetzt den historischen Hintergrund näher ausführen möchte. Aber auch heute noch ist das ehemalige Samarien, das im Westjordanland liegt ein Krisenherd.  Jesus scheint dieses Tabu nicht zu interessieren, er begeht einen Tabubruch, und wenn man genau ist, sogar einen doppelten Tabubruch: Nicht nur, daß ein Mann eine Frau anspricht, sie in einer Quasi- Funktion eines Rabbiners sogar unterweist, nein, ein Jude spricht eine Samariterin an ! So etwas tut ein Jude nicht, schon gar nicht ein frommer Jude. Zur Zeit Jesu gab es nicht wenige, die stolz oder ängstlich jeden unnötigen Kontakt mieden und sich in dieser Situation gesagt hätten: Eher verdurste ich, als daß ich von einer Samariterin etwas annehme.

Mit denen spricht man nicht – wie oft haben wir so etwas von unseren Eltern oder anderen gehört? Schon gar nicht als anständiger Bürger: mit dem Obdachlosen, der in der Fußgängerzone unserer Stadt sitzt, mit der Flasche Schnaps in der Hand; mit dem Schwarzen, wer weiß, was der für Krankheiten hier ins Land schleppt; mit dem Kollegen, auf dem alle anderen rumhacken, bevor auf einen selbst auch noch rumgehackt wird; mit dem Homosexuellen, der nach Solidarität und Anerkennung sucht. Mit dem spricht man nicht. Aber Jesus kennt diese Grenzen nicht, er hält sich nicht an milieugebundene Schranken und begegnet allen in gleicher Weise. Er sieht zuerst den Menschen, vielleicht gerade diese Frau, gerade diese Samariterin.

Zunächst geht das Gespräch zwischen Jesus und ihr nur ums Wasser. Aber schnell bekommt man den Eindruck, daß sich das Gespräch zwischen den beiden auf unterschiedlichen Ebenen bewegt. Die Frau spricht vom Wasser aus dem Brunnen und Jesus vom Wasser des Lebens. Das Wasser aus dem Brunnen ist schnell immer wieder aufgebraucht und es ist jeden Tag eine Mühe, es immer wieder neu heranzuschaffen. Aber der Durst nach Leben ist damit nicht zu stillen.  Die Samariterin hat da auch schon ihre Erfahrungen gemacht. Wenn man bei dem heute vorgegebenen Predigttext im Johannesevangelium an dieser Stelle weiterliest, erfährt man, daß diese Frau bereits bei 5 oder 6 Männern versucht hat ihren Lebensdurst zu stillen. Also kein unbeschriebenes Blatt – wie man heute gerne sagt.

Wer oder was stillt heute unseren Lebensdurst? Flüchtiger Sex, der Traumurlaub, der Jackpott im Lotto, die Karriere oder das, was uns tagtäglich im Werbefernsehen oder auf Plakaten angepriesen wird? Unser öffentliches Leben erweckt manchmal diesen Anschein. Wird dadurch der Lebensdurst wirklich gestillt? Um das herauszufinden braucht es Menschen,die uns dabei stören, die uns nicht in Ruhe lassen, damit wir uns und unserem Lebensdurst nicht unter Wert verkaufen.  Denn in diesem Bereich sind wir besonders verführbar, ja oft zu größten Opfern bereit, bis hinein in Katastrophen. Die Suche nach Glück und Erfüllung hat schon manchen in den Abgrund gestürzt. Und hier wird die Stillung des Lebensdurstes versprochen – und nicht durch Übersättigung, sondern durch wirkliches Leben. Die unstillbare Gier nach Leben, das, von dem man nie genug bekommen kann, weil man eh nur immer mehr davon will, soll ein Ende haben. Es soll Schluß sein mit den ständigen Lebensenttäuschungen, die es nicht zulassen, daß sich wirkliches Leben vollzieht. Da ist es gut, wenn man die Oberfläche einmal verläßt und sich mit Jesus an den Jakobsbrunnen setzt, so wie er es mit der Samariterin getan hat und einmal in die Tiefe dieses Brunnens schaut, hinunter zu den Quellen unseres Lebens.

Der Brunnen ist für mich hier ein ganz wichtiges und wunderbares Symbol. Noch dazu einer, der wie der Jakobsbrunnen „lebendiges Wasser“ führt: Die heute noch erhaltene Wasserstelle ist über 30 Meter tief. Es handelt sich um einen Brunnen, der nicht vom Regen, sondern vom Grundwasser gespeist wird, also „lebendiges Wasser“ hat, das in Bewegung ist. Das Grundwasser fließt immer noch nach und sorgt seit Jahrtausenden für frisches Wasser.  Jesus setzt auf die Frische, auf die Unmittelbarkeit, so wie seine Botschaft. Sie wärmt Abgestandenes nicht auf, gibt sich mit Überlieferten – wie einem „Mit der redet man doch nicht“ - nicht zufrieden, seine Botschaft ist eben wie eine frische Quelle, die neues Leben und echtes Leben hervorbringt.

Aber auch das Grundwasser möchte ich mit in dieses Bild einbeziehen: Von diesem Wasser dürfen alle trinken, es ist für alle da. Keiner hat das Recht, um es dann vielleicht anderen zu verweigern oder zu verkaufen.

Und damit wären wir bei einem weiteren Punkt angekommen, den Jesus anspricht, denn mit dem „Wasser des Lebens“ hat es noch etwas auf sich: „Diejenigen aber, die von dem  Wasser trinken, das ich ihnen geben werde, werden nie mehr Durst bekommen, sondern das Wasser, das ich ihnen geben werde, wird in ihnen zu einer Quelle von Wasser, das zum ewigen Leben sprudelt“. Das Gespräch mit Jesus läßt die Samariterin nicht nur trinken, sondern es soll sie zu einer Quelle machen, von der auch andere trinken können.

Seine Einladung vielleicht auch an uns? Vielleicht ist es gut, einmal darüber nachzudenken, welche Menschen für uns zur Quelle geworden sind, von deren Wasser wir leben. Jede und jeder von uns kennt doch hoffentlich solche Menschen, sonst könnten wir nicht leben! Vielleicht haben wir auch schon die Erfahrung gemacht, daß wir für andere zum Quell des Lebens geworden sind.

Daher möchte ich euch einladen, euch immer wieder aufs neue euch an den Brunnenrand zu setzen, Zeit zu haben für Gespräche, die euch selbst und andere weiterführen – zum Lebensanstifter werden. Entdeckt die Quellen in euch und in den anderen und laßt sie fließen !

Amen