Predigt Mai 2013

Queergottesdienst am Pfingssonntag, 19.05.2013, St. Johanniskirche Nürnberg

 

Heute fällt unser Queergottesdienst auf einen großen kirchlichen Festtag, nämlich Pfingsten.

Ich konnte mit dem Pfingstfest bis vor einigen Jahren überhaupt nichts anfangen.
Als Pädagogin bin ich dem Pfingstfest in der religiösen Vermittlung immer geschickt ausgewichen und vermied das Thema im Kindergarten.
Als Erlangerin verbinde ich Pfingsten mit der fünften Jahreszeit, nämlich der Bergkirchweih in Erlangen.
Der Heilige Geist war mir auch immer viel zu abstrakt und unbegreiflich, so dass ich mir lange keine Gedanken dazu machte. Gott und Jesus reichten mir vollkommen aus für meinen Glauben. Trinität? Fragezeichen!

Bis ich einmal, um diesen blinden, religiösen Fleck in mir doch mal näher zu beleuchten, ins Kloster Schwanberg über die Pfingsttage fuhr. Ich sass in einer Runde mit Menschen im Klostergarten und den anderen um mich herum ging es so wie mir: Pfingsten? Heiliger Geist? Kein Zugang! Was soll das sein, wozu brauchen wir das in unserem Leben?
Der damalige Pfarrer des Schwanberges und jetzige Stadtdekan Jürgen Körnlein leitete die Runde und sagte zu uns: Wenn wir an einem Ort das Gefühl haben, hier ist etwas Besonderes um mich herum, ich halte auf einmal inne und frage mich, was gerade los ist: Meine Gedanken verändern sich oder mein Herz beginnt zu springen, ich werde freudig unruhig oder fühle auf einmal einen tiefen Frieden in mir, vielleicht eine besonders starke Nähe zu Gott, eine unvermittelte Liebesregung zu Jesus oder zu einer Begebenheit in meinem Leben, dann ist da Pfingsten, dann streift mich der Heilige Geist.
Da saß ich nun in dieser Runde im Klostergarten und ich habe das Bild noch genau vor mir,  als hätte ich eine Fotografie in der Hand:
Ein leichter warmer Wind streift über mein Gesicht, ich entspanne mich und habe eine ganz tiefe Erkenntnis in mir: So einfach ist Pfingsten zu verstehen? So nah kann ich dem Heiligen Geist kommen? Und es war so eine Ruhe und so ein Frieden in der Runde und ich dachte: Ja, jetzt ist er wirklich hier, dieser Heilige Geist und ich darf es zum ersten Mal wahrnehmen.

Tja, und heute? Ich sitze ja nicht ständig im Klostergarten vom Schwanberg und höre kluge und starke Worte eines Theologen!
Wie kann ich diesem Heiligen Geist im Alltag begegnen? Wie kann ich diese Erkenntnis in mir warm halten?

Ezechiel ruft uns in der heutigen Lesung zu: „Ich will euch ein neues Herz geben und euer Inneres mit neuer Geistkraft erfüllen. Das steinerne Herz will ich aus eurem Körper herausnehmen und euch ein fleischernes Herz geben. Aus der Übersetzung: Bibel in gerechter Sprache.
So spüre ich dem Sinn dieser Worte nach und frage mich, wann habe ich ein steinernes Herz, wann ein fleischernes Herz, also ein lebendiges Herz?
Ein steinernes Herz spüre ich immer dann, wenn ich Angst habe vor irgendeiner Aufgabe, die ich im Leben bewältigen muss oder wenn ich einfach tue, was mir andere geboten haben.
Ein steinernes Herz bekomme ich dann, wenn ich nicht auf meine innere Stimme gehört habe, im Vorfeld eigentlich schon genau wusste, dass das nicht gutgehen kann und später bestätigt werde, ja, es ist tatsächlich blöd gelaufen. Hätte ich mal gleich auf mein Unbehagen gehört in mir!
Ein fleischernes Herz vergleiche ich mit meiner Intuition in mir.
Manchmal frage ich mich im Leben, wie es weitergehen kann, was ich als Nächstes tun möchte, wofür ich auf diese Welt geschickt wurde!?
Und plötzlich bewegt sich etwas in meinem Bauch, wird stärker und größer in mir. Ich kann dem Gefühl nicht mehr ausweichen, die Sehnsucht in mir bricht sich Bahn. Der Gedanke lässt mich einfach nicht mehr los und es drängt mich voran ins Tun, ins Handeln und ich gehe und gehe und lasse mich nicht mehr beirren, auch nicht von meinen Ängsten, die trotzdem noch meine Begleiter bleiben.
Und seit dem Schwanberg weiß ich, dass es eine Begegnung mit dem Heiligen Geist sein kann, dass ich spüren darf, wie es für mein Leben weitergehen kann und vielleicht auch soll.
Mein Herz wird lebendig und löst sich aus dem Stein, meine Kreativität und meine Ideen sprudeln und springen auf andere über: Ich finde Menschen, die sich mit mir für die gleiche Sache stark machen bzw. bekomme Bestätigung von Menschen, dass ich auf dem richtigen Weg bin.
Meiner Intuition folgen und vertrauen ist ein Weg mit dem Heiligen Geist.
Dabei lasse ich mir Zeit und wäge die Dinge ab, um zu unterscheiden: Was ist Gott und Heiliger Geist, was ist mein eigener innerer Spleen, Verstrickung der eigenen Gier und evtl. Verleitung einer Truggottheit.
Im Gebet lasse ich mir den Raum dafür, das zu entscheiden, in der Natur weitet sich mein Herz für das, was wirklich ist.
Ich gehe einen Waldweg und es bricht die Sonne durch die Bäume, ich bleibe stehen und ein tiefer innerer und freudiger Frieden dehnt sich in mir aus.
Dann kann ich Pfingsten feiern, dann kann Pfingsten kommen, manchmal unvermittelt, nicht nur an Pfingsten.

An dieser Stelle kommt im alten Gottesdienst die sogenannte „Pfingstsequenz“. Eigentlich war das im gregorianischen Choral ein mit ganz vielen Tönen ausgestalteter Halleluia-Ruf.
Damit man sich die Töne besser merken kann, wurden sie mit einem Text unterlegt.
Das ist die heutige Pfingstsequenz. Sie stammt aus dem 13. Jahrhundert.
Ich liebe diese Melodie vor allem auch wegen des Textes.
Es wird beschrieben, was der heilige Geist alles ist:
- Vater der Armen
- Geber der Gaben
- Licht der Herzen
- optimaler Tröster
- süßer Gastfreund des Herzens
- Trotz im Weinen usw.

Mein absoluter Lieblingssatz ist „Sine tuo numine nihil est in homine“
„Ohne dein Wirken ist nichts im Menschen“.

Deswegen ist Pfingsten für mich so wichtig: Denn ohne das Pfingstfest wäre nichts.
Es gäbe ohne Pfingsten keine Kirche und kein Christentum, weil sich die Freunde Jesu irgendwann frustriert und irritiert davon getrollt hätten und in ihr altes Leben zurückgekehrt wären.
Die Geschichte mit Jesus wäre ein alltägliche Episode der Weltgeschichte geblieben.

Aber mehr noch: Ohne den Geist Gottes wäre gar nichts! Denn es heißt in der Schöpfungsgeschichte der Bibel, bevor alles geschaffen wurde:
„Und der Geist Gottes schwebte über dem Wasser.“ (1 Mose 1,2)
Alles, was jetzt grünt und blüht, ist aus der Kraft Gottes, aus der Geistkraft entstanden.
Wir können Gottes Geist in der blühenden Natur erspüren, vor allem wenn wir zur Zeit in der Natur unterwegs sind.

Das ist aber noch nicht alles:
„Ohne das Wirken des Geistes ist nichts im Menschen“.
Unser Leben gelingt nicht von allein. Wir bilden uns das gerne ein, dass alles machbar wäre. Aber so ist es nicht. Dass mein Leben glückt, dafür sind viele Faktoren notwendig. Und der wichtigste Faktor ist der Atem Gottes.
Wo Gottes Geist ist, da gelingt Leben – und nur da.
Deswegen ist Pfingsten für mich nach Ostern das wichtigste Fest im Kirchenjahr.

Ich singe euch jetzt die Pfingstsequenz im Original vor.
Wer möchte kann den deutschen Text im Gesangbuch Nr. 128 mitlesen – oder dabei still für sich um den Heiligen Geist beten.

Amen.