Predigt April 2013

Queergottesdienst am 21.04.2013, St. Johanniskirche Nürnberg

Lukas, 24, 13-36

Liebe Queergemeinde,

langer Lesungstext heute, oder?
Konnte da der Evangelist Lukas sich nicht etwas kürzer fassen?

Wohl nicht, weil in der kurzen Emmausgeschichte ist beinahe die gesamte Heilsgeschichte zusammengefasst. Er hätte es eher noch etwas ausschmücken können. In unserer Geschichte geht es nicht darum, darüber zu berichten, was Jesus für ein toller Mensch war, und, was er alles Wunderbares vollbracht hat. Nein, hier geht es darum, an das Unmögliche und Paradoxe zu glauben. An so etwas, für das einen jeder halbwegs normale Mensch mindestens für verrückt erklären würde. Hat nicht jeder von uns schon einmal an etwas geglaubt, für das ihn 99 % seiner normalen Umgebung für verrückt erklärt haben? Und ich meine jetzt nicht nur , wie es sich in meiner Jugendzeit angefühlt hatte, sich auf den schier unglaubwürdigen Weg des schwulen Coming Out zu begeben. Ich denke da schon eher an Menschen, die z.B. davon überzeugt sind, in unserer kapitalistischen Gesellschaft sehr gut über die Runden kommen, ohne auch nur jemals 1 Geldschein anzufassen. So jemand tauscht halt. Dienstleistungen gegen Ware, oder Dienstleistungen gegen andere Dienstleistungen. Es gibt auch z.B. Menschen in unserer digitalisierten Gesellschaft, die ganz ohne Glotze auskommen – auch ganze Familien, die von einem fernsehfreien Leben überzeugt sind. Solche Menschen werden ja auch belächelt, oder gar bemitleidet.

So, die Jünger, die auf dem Weg nach Emmaus waren, waren ja zunächst mal in der Situation der 99% Normalen: sie sind Jesus gefolgt, haben seinen Predigten gelauscht und waren von seinen Wundertaten begeistert. Und sie hatten die Hoffnung, dass er sie , König, der er war, aus der Fremdherrschaft der Römer befreien sollte. Aber was passiert statt dessen? Jesus wird gefangen genommen, zum Tode verurteilt, und muss jämmerlich am Kreuz sterben. Zu guter letzt wird auch noch sein Leichnam geraubt. Also, die pure Enttäuschung auf der ganzen Linie. Dabei hat er ihnen sogar das Himmelreich versprochen! Sind sie am Ende sogar einem windigen Betrüger aufgesessen? Einem Rattenfänger, der sie nur in die Irre leitete? In der Stimmung dieser masslosen Enttäuschung befanden sich die Jünger. Nach den traurigen Ereignissen gingen sie eben in das Dorf Emmaus, wo Kleopas, der sie begleitet hatte, sein Zuhause hatte. Sie hatten ja in Jerusalem nichts mehr zu schaffen – es war ja alles verloren! Das Dorf bzw. die Kleinstadt Emmaus findet auch Erwähnung unter dem griechischen Namen Nikopolis, 60 Stadien von Jerusalem entfernt, das entspricht etwa 11 km. Der Ort hat eine wechselvolle Geschichte, welche sehr stark von Krieg und Belagerung geprägt ist. Dort entstand auch schon sehr früh eine christliche Gemeinde, und schon um das Jahr 300 war es bereits Bischofssitz.

Während die Jünger also sich so selber bemitleideten, schloss sich ihnen ein fremder Mann an und mischte sich einfach in ihr Gespräch ein. Als er sich das Gejammer über den Verlust ihres Erlösers und Führers angehört hatte, korrigierte er sie scharf: "Begreift ihr denn nicht!" Und er stellt die Jünger wieder mal als ungläubig dar. Von ihm lassen sie sich dann noch mal die ganze Heilsgeschichte erläutern, diesmal eben mit dem besonderen Dreh, dass das ja auch  T e i l  der Heilsgeschichte ist, dass Jesus ans Kreuz genagelt wurde. Also, es ist sogar gerade umgekehrt: wäre Jesus nicht gekreuzigt worden, und wäre das Grab nicht leer aufgefunden worden, dann hätte Erlösung ja gar nicht stattfinden können. Sie mussten sich von dem, der ihnen bis zu diesem Zeitpunkt immer noch ein Fremder war, sich ihre ganze, fein zurechtgelegte Geschichte auf den Kopf stellen lassen. Die Umdrehung ihrer Geschichte, also, im wahrsten Sinne des Wortes: die Ent-Täuschung, hatte sie so fasziniert, dass sie ihn sogar darum gebeten hatten doch noch bei ihnen zu bleiben, als er schon weiter gehen wollte. Jesus drängt sich also nicht auf, er lässt sich bitten. Naja, unterdessen ist es halt Abend geworden, und Kleopas hat dann noch die ganze Gesellschaft zu sich nach hause eingeladen, und da passiert dann etwas zunächst Unspektakuläres. Jesus hat nämlich das Brot gebrochen. Und daran haben sie ihn erkannt, an der Art,  w i e  er das Brot gebrochen hatte. Mit diesem Aspekt tu ich mich, ehrlich gesagt immer etwas schwer: was ist denn so Besonderes daran, Brot zu brechen? Na, man teilt halt eine Scheibe Brot in 2 Teile, oder? Was kann denn daran so typisch für Jesus sein? Ich kann mir nur vorstellen, dass damit gemeint ist: mit Jesus eine Mahlgemeinschaft zu halten, ist so besonders und einzigartig, dass man Jesus an dem besonderen Gemeinschaftsgefühl erkennt, das dabei erwächst. Und so ähnlich muss es wohl den dreien ergangen sein: sie haben eine besondere Gemeinschaft gespürt. Wahrscheinlich ein Gefühl von Angenommensein und Heimat, wonach jeder von uns ein mehr oder weniger starkes Verlangen und Bedürfnis hat. Jetzt ist es aber blöderweise nun so: das Emmausereignis ist schon fast 2000 Jahre her, wir können heute kaum Hoffnung haben, dass uns Jesus 40 Tage vor seinem Aufstieg in den Himmel bei einem Spaziergang begegnet. Also, wir haben es da schon etwas schwerer: wir müssen uns, wenn wir Jesus begegnen wollen, allein auf unseren Glauben verlassen. Und die Emmausgeschichte verrät uns auch, woran wir das merken. Die wahre Begegnung mit Jesus merken wir daran, dass uns "das Herz brennt". Besonders bemerkenswert bei dieser Glaubenslehre finde ich, dass es hier immer um ein Gemeinschafserlebnis geht. Das Christentum ist also keine egozentrierte Erleuchtungsreligion, mit wahllos zusammengefügten Versatzstücken aus dem asiatischen Raum. Nein, die Gemeinschaft ist immer massgebend. Das Erkennen und das Erleben vom "Wir", und eben das Einladen von Jesus zur Mahlgemeinschaft.

Wie ist denn die Emmausgeschichte denn eigentlich weitergegangen? Nach dem gemeinsamen Mahl ist Jesus wieder mal verschwunden, die Jünger sind  - diesmal voller Hoffnung – wieder zurück nach Jerusalem gelaufen, um dort die anderen Jünger zu treffen und ihnen schliesslich mitzuteilen: Jesus ist nicht tot, sondern er ist auferstanden.

Die Lesung endet dann interessanterweise mit dem ersten Vers des folgenden Abschnittes; und hier kommt eine zentrale Aussage, die für uns Christen, welche in jedem Gottesdienst als Geste und Versöhnungsritual praktiziert wird: Jesus nämlich tritt in ihre Mitte und spricht: "Friede sei mit Euch" Und so wollen auch wir uns heute beim Friedensgruss in Erinnerung rufen, dass wir nicht an eine nette, erfundene Geschichte glauben, sondern daran, dass  Jesus den Tod überwunden hat und auferstanden ist.

Amen.