Predigt Oktober 2015
Queergottesdienst am 18.10.2015, St. Johanniskirche Nürnberg
Predigt zu 1. Mose 8,18-22
Einleitung zum Lesungstext
Der heutige Lesungstext hat eine lange und bekannte Vorgeschichte. Zur besseren Einordnung gebe ich euch zunächst eine Zusammenfassung dieser Ereignisse:
Wir befinden uns in der Zeit, in der Gott die große Sintflut auf Erden ankündigte, da er sah, dass die Bosheit der Menschen zunahm und ihre Herzen verdorben sind. Er bereute, die Menschen geschaffen zu haben und es tat seinem Herzen weh. So beschloss er alle Menschen auf der Erde zu vernichten und dazu alle Tiere. Aber Noah fand Gnade vor Gott. Noah war ein gerechter, tadelloser Mann unter seinen Zeitgenossen; er ging seinen Weg mit Gott. Gott teilte Noah seinen Plan mit und gab ihm genaue Anweisung zum Bau einer Arche. Die sollte ihn, seine Frau, seine drei Söhne mit deren Frauen vor der Sintflut schützen, die der Herr über die Erde kommen lassen will, um die Menschen und ihre Schlechtigkeit sowie alle Tiere zu vertilgen. Mit Noah will er einen Bund schließen. Er befiehlt ihm von allen Tieren, von allen Wesen aus Fleisch, je ein Paar, Männchen und Weibchen in die Arche zu nehmen und ein Essensvorrat aufzubauen. Und Noah gehorchte Gott. Er und seine Familie gingen mit allem Getier in die Arche bevor die Wasser der Sintflut auf die Erde kamen. Vierzig Tage und vierzig Nächte strömte Regen auf die Erde nieder, überflutete alles, das Wasser hob die Arche, welche über das Wasser trieb. Die Wassermassen stiegen über alle hohen Berge und verdeckten sie. Alles menschliche und tierische Leben, sogar die Vögel im Himmel wurden ausgelöscht. Allein Noah blieb übrig und was mit ihm in der Arche war. Nachdem die Wasser bis zum hundertfünfzigsten Tage gewaltig anwuchsen, dachte Gott an Noah und alle Tiere in der Arche und ließ die Wassermassen fallen; kein Regen fiel mehr. Das Wasser verlief sich nun auf der Erde und nahm ab. Am siebzehnten Tag des siebten Monats ließ sich die Arche nieder auf das Gebirge Ararat. Bis zum zehnten Monat nahm das Wasser immer mehr ab bis die Spitzen der Berge sichtbar wurden. Nach einem Jahr waren die Wasser vertrocknet auf Erden. Nach ungefähr einem Jahr und drei Monaten war die Erde ganz trocken. Da sprach Gott zu Noah, er soll mit seiner Familie und allen Tieren die Arche verlassen. Alles Getier soll sich auf der Erden wimmeln, fruchtbar sein und sich vermehren.
Und nun die Lesung des Predigttextes aus dem 1. Buch Mose, Kapitel 8, Verse 18-22:
So ging Noah heraus mit seinen Söhnen und mit seiner Frau und den Frauen seiner Söhne, dazu allen wilden Tiere, alles Vieh, alle Vögel und alles Gewürm, das auf Erden kriecht; das ging aus der Arche, ein jedes mit seinesgleichen.
Noah aber baute dem Herrn einen Altar und nahm von allem reinen Vieh und von allen reinen Vögeln und opferte Brandopfer auf dem Altar. Und der Herr roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen: Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe. Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.
Predigt zu 1. Mose 8,18-22
Liebe Queergemeinde,
wir haben nun in der Vorgeschichte zum Predigttext gehört, dass die Menschheit an einem Punkt gelangen ist, in dem Gott auf Radikal schaltete: Er vernichtete alles Leben auf Erden, Menschen und Tiere. Es steht geschrieben: Es reute ihn den Menschen gemacht zu haben und es bekümmerte ihn in seinem Herzen (1. Mose 6,6). Wie kann Gott, der Schöpfer, der Allmächtige etwas bereuen? Und wie kann er Schmerz in seinem Herzen verspüren? Das sind doch geradezu menschliche Empfindungen und nicht die eines höheren, allmächtigen Wesens. Diese Fragen bereiten christlichen Theologen Kopfschmerzen. Aber keine Sorge: Wir setzen uns nicht wie bei einem Kirchentag in ein dreistündiges Seminar, an deren Ende diese Fragestellungen ungeklärt bleiben werden und ein anwesender jüdischer Gelehrter fragt: Wo ist das Problem? Machen wir uns hier auch nicht zu große Probleme und betrachten es einfach menschlich so wie Menschen diese Überlieferungen niedergeschrieben haben.
Die Sünde nahm natürlich seinen Ausgangspunkt mit Adam und Eva wie sie im Garten Eden vom verbotenen Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen aßen und schließlich aus dem Paradies vertrieben wurden. Es setzte sich fort mit Kains Mord an seinem Bruder Abel. Und das Böse und Schuldhafte des Menschen nahm so sehr überhand, dass Gott sich sagte, es braucht einen kompletten Neustart. Weg mit dem Alten und nochmal ganz von vorne beginnen. Na ja, nicht ganz: Um die neue Erde wieder zu bevölkern und aufzubauen, erwählte er Noah, nahm ihn und seine Familie von der großen Vernichtung aus. Dieser Noah war ein frommer Mann ohne Tadel, der Gott gehorchte und ihm folgte. Später schloss Gott mit ihm und seinen Nachkommen einen Bund (1. Mose 9,9-11) und als Zeichen gibt er einen Bogen in die Wolken. Wie sagte Eckhart von Hirschhausen einmal: „Gott gab Noah einen Bogen, weil die Menschen den Bogen überspannt haben.“ Der Regenbogen ist eine vertrauensbildende Maßnahme und in dieser farbenträchtigen Symbolik erst recht auch für uns Queers. Gott hat verstanden, dass es keinen Sinn hat uns immer wieder von der Erde zu vertilgen. Gott hat sich „geändert“ und nimmt die Dinge hin, die er beim Menschen nicht ändern kann. Die Sünde wurde in der Sintflut nicht ertränkt. Gott hat ja nicht ausnahmslos alle Menschen vernichtet. Noah und seine Familie verschonte er, aber schickte sie nicht zurück ins Paradies. Nein, die Sünde ist nicht aus der Welt und sie wiederholt sich immer wieder. „Das Dichten trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf.“ Das ist erstmal harter Tobak, aber es sei bemerkt, es gibt unterschiedliche Ausprägungen von böse und schuldig. Man spricht von sündigem Verhalten, ein Abfallen von Gott. Wie kommt es denn zum Klimawandel, wie kommt es denn zu Missernten? Und ich sehe auch keinen Widerspruch zwischen einen Schöpfergott und seinen selbstständigen Kreaturen. Er hat uns nach seinem Vorbild geschaffen und das schließt das selbstständige Denken und Handeln der Menschen mit ein, was Gutes wie Schlechtes bewirken kann: Wir können unseren Weg mit Gott gehen, seinen Weg verlassen, an ihn zweifeln, seine Existenz verleugnen, ihn entdecken bzw. neu entdecken und wieder zu ihm zurückkehren. Wir können mit unseren Mitmenschen handeln, zu unser aller Nutzen, nur zum Nutzen bestimmter Menschen, sie ausnutzen, sich gegen sie richten oder ihnen helfen, auch ohne Vorteil für uns, auf sie zukommen oder sich mit ihnen versöhnen. Es ist kein Programmierfehler Gottes uns die Selbstständigkeit zum Handeln und einen eigenständigen Verstand gegeben zu haben. Ansonsten wären wir alle nur Puppen an Fäden, die Gott mit seinen Fingern steuert. Und weil wir eben keine Marionetten sind, sondern eigenverantwortlich handelnde Geschöpfe, die immer wieder die von Gott gesetzten Grenzen überschreiten, hat er uns seinen Sohn in die Welt gesandt. Durch Jesus Christus erlangen wir Vergebung für unsere Schuld und können uns durch sein Zeugnis bessern, wenn wir den rechten Weg verlassen haben. Und wohlgemerkt, wir sind in der Lage unsere Verfehlungen zu erkennen: Seit Adam und Eva können wir das Gute von dem Bösen unterscheiden. Jesus ist unser Vermittler zu Gott. Paulus stellt fest, wenn er über die Gerechtigkeit vor Gott spricht: Wir sind allesamt Sünder und ermangeln des Ruhmes, den wir bei Gott haben sollten, und werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist. (Röm 3,22-24)
Für die Aufnahme eines Menschen in die christliche Gemeinschaft wird bekanntlich Wasser verwendet. Der Täufling wird mit Wasser übergossen oder in anderen christlichen Kirchen auch komplett im Wasser untergetaucht. In der Taufe wird der Täufling gemäß der Lehre Paulus in Christi Tod getauft und mit Christus „begraben in den Tod“. Der Vollzug der Taufe bezeichnet damit die sicht- und erlebbare „Schwelle“ zwischen dem alten Sein des Menschen in der Sünde und dem neuen Sein seines Lebens in Christus. Ihr Wasser „tötet“ und „schenkt Leben“ zugleich. Somit finden sich in mancher Taufliturgie Motive der Sintflut-Erzählung, um die Ambivalenz des Wassers – es macht lebendig und tötet – herauszustellen und an Gott als Retter zu erinnern.
Und unser Schöpfer verspricht uns: „Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ Dazu war es eben auch wichtig Würmer in die Arche zu nehmen, die den Ackerboden auflockern und Vögel, die Schädlinge fressen. Gott hat sich das schon schlau ausgedacht und wir Menschen dürfen nicht einfach ein Baustein – auch wenn er noch so klein, unbedeutend, lästig oder unnütz erscheint – herausnehmen. Ansonsten wird die Schöpfung instabil und die Natur währt sich, auch zu unserem Nachteil. Die Aufgaben für die Gegenwart sind, die Artenvielfalt der Tiere und Pflanzen zu erhalten. Unsere landwirtschaftlichen Nutzflächen nicht zu überdüngen, mit zu vielen Chemikalien zu behandeln oder riesige Monokulturen anzubauen.
Jedes Jahr feiern wir Erntedank und in den Kirchen werden Früchte des Feldes an den Altar gestellt. Die Bewirtschaftung der Ackerböden und die Ernte sind für dieses Jahr abgeschlossen. Wir danken Gott, dass er Gemüse und Obst gedeihen lies und bitten um die Einsicht, mit den Gaben klug umzugehen zum Nutzen vieler. Nach der Sintflut und dem Verlassen der Arche mit seiner Familie und allen Tieren, die für den Wiederaufbau der Erde notwendig waren, baute Noah dem Herrn einen Altar und gab ihm zur Ehre Brandopfer. Zu Erntedank beten wir: „Es warten alle Augen auf dich, dass du ihnen Speise gebest zur rechten Zeit. Wenn du ihnen gibst, so sammeln sie; wenn du deine Hand auftust, so werden sie mit Guten gesättigt. Du sendest aus deinen Odem, so werden sie geschaffen, und du machst neu die Gestalt der Erde. Ich will den Herrn singen mein Leben lang und meinen Gott loben, solange ich bin. Halleluja.“ (Ps 104,27-28.30.33)
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.