Predigt Juli 2005

Queergottesdienst am Sonntag, den 17. Juli 2005
in St. Martha Nürnberg

Jesaja 2: 1- 5
Die Ein Traum von einer Welt...”

Predigt: Bernd Held

Predigttext:

Das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, in einer Vision über Jerusalem gehört hat. Am Ende der Tage wird es geschehen: Der Berg mit dem Haus des Herrn steht fest gegründet als höchster der Berge; er überragt alle Hügel.

Zu ihm strömen alle Völker. Viele Nationen machen sich auf den Weg; sie sagen: Kommt, wir ziehen hinauf zum Berg des Herrn und zum Haus des Gottes Jakobs. Er zeige uns seine Wege, auf seinen Pfaden wollen wir gehen. Denn von Zion kommt die Weisung des Herrn, aus Jerusalem sein Wort. Er spricht Recht im Streit der Völker, er weist viele Nationen zu recht. Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen. Man zieht nicht mehr das Schwert Volk gegen Volk, und übt nicht mehr den Krieg. Ihr vom Haus Jakob, kommt, wir wollen unsere Wege gehen im Licht des Herrn.

Jesaja 2: 1- 5 (EinheitsÜ)

 

Da steht Rosa Parker vor dem Haus Nr. 309 in der South Jackson Street und wartet auf ihren Bus.

Gleich wird sie beim Fahrer ein Ticket lösen und im Gedränge der einsteigenden Fahrgäste wird sie sofort in eine Bankreihe hineinschlüpfen.

Diesmal wird sie nicht wieder aussteigen um den hinteren Eingang für Schwarze zu nehmen, nur um zu erleben, wie der Busfahrer die Türe vor ihrer Nase verschließt und losfährt- ohne die schwarzen Fahrgäste. Das demütigende Spiel kennt sie nur zu gut. Heute soll es einmal nicht so geschehen.

Und sie bleibt sitzen, als der Busfahrer sie auffordert.

Sie bleibt sitzen als höre sie nichts, bis die Polizeistreife kommt und sie abführt. An diesem Tag wird Rosa Parker inhaftiert.

Noch an diesem Tag organisiert ihr Pastor Martin Luther King einen Busstreik in Montgomery, der ein Jahr dauern wird  und alle Schwarzen laufen zu Fuß.

Die schwarze Bürgerrechtsbewegung nimmt ihren Anfang.

"I have a dream..." (M.L.King, Originalrede einspielen)

Vor einpaar Jahren stehen einpaar Männer und Frauen zusammen in der Disko und trinken ihr Bier. Und irgendwann entsteht beim zwanglosen Gespräch ein Traum: Einmal feiern Schwule und Lesben einen Gottesdienst und die Kirche öffnet ihnen die Türe dazu. Glauben und sexuelle Identität bekommen einen Ort, wo sie als eins und zusammengehörig erlebt und nicht mehr voneinander abgespalten werden. Es entsteht eine Brücke zwischen den Menschen  und der Kirche über vorgefertigte, zementierte Meinungen und Beschämungen und unausgesprochenen Ängsten hinweg. Die Traumbilder fügen sich ineinander bis ein Weg sichtbar wird. Die Queergemeinschaft macht ihre ersten Schritte. Und in den folgenden Jahren hat sie manchen kleinen und auch größeren Berg erklommen. Heilsame Begegnungen und gute Erfahrungen begleiten den Weg. Heute nehmen wir dankbar Abschied von unserer Gastgebergemeinde in St. Jobst. Für mehr als ein halbes Jahr haben wir hier ein Zuhause und Unterschlupf gefunden. Wir wurden liebevoll aufgenommen und es gab bereichernde Begegnungen mit Menschen aus der Gemeinde und ihrem Umfeld. Die Gemeinde in St. Jobst ist auch eine Station und ein Teil von unserem Traum geworden, der in Erfüllung geht.

Gospel- Musik

Die kleine Unverfrorenheit von Rosa Parker, der Traum Martin Luther Kings und die Hoffnungen der Lesben und Schwulen von damals in Disko haben natürlich in ihrem Ausmaß ganz unterschiedliche Konsequenzen.  Aber sie haben etwas gemeinsam, was uns mit dem Predigttext von heute zusammenschließt.

Sie beginnen mit einer Vision, einem Traum.

Unsere Hoffnungen und unser Glauben bestimmen unsere Gedanken und Gefühle, unsere Weltsicht und unsere Motivation.

Die Bilder, die uns innerlich prägen, beeinflussen unser Handeln und sie verändern unsere Welt. Welche Bilder tragen wir in uns? Was erwarten wir von diesem Leben? Worauf leben wir zu?

Und: wo lähmen wir uns mitunter selbst, weil wir es aufgegeben haben zu träumen?

Gospel- Musik II

Im Bibeltext und in unseren Beispielgeschichten erfahren wir etwas Bedeutendes:

Die Träumenden sind keine Schlafwandelnden, sondern sie machen sich auf den Weg um den Berg ihrer Hoffnungen zu erklimmen. Auf diesem Weg gibt es ganz unterschiedliche Passagen. Gerade die Geschichte von Rosa Parker und Martin Luther King macht deutlich, dass es für manche kein Spaziergang ist! Oftmals erscheinen die Durststrecken unheimlich lange. Dann erlebe ich es als eine Missachtung zu sagen : Der Weg ist das Ziel! Aber das gilt gewiss: Das Ziel bestimmt den Weg!

Und wer so den Weg geht, der oder die kann entdecken, wo und wie viel sich bereits vom Traum andeutet und verwirklicht! Anstatt unerfüllten Erwartungen hinterzutrauern kann Dankbarkeit für Erreichtes und Entdecktes entstehen und eine begründete Hoffnung für den weiteren Weg wachsen.

Vielleicht erleben Schwule und Lesben und Queers gerade aktuell mit dem neuen Papst wieder Angst vor der Ausgrenzung und Diffamierung in Kirche und Gesellschaft. Aber wer heute mit uns hier war und Gottesdienst gefeiert hat, der oder die kann nicht mehr nur schlecht von Kirche reden oder dass Glauben und Homosexualität nicht vereinbar seien! Der oder die muss auch wahrnehmen: Hier ist ein Ort entstanden, wo wir den Traum von dieser neuen, guten Welt feiern können! Kommt, und macht mit und feiert mit! Bringt euch ein! Lebt euren Traum!

Wenn sich auf dem Berg der Bibelgeschichte alle Völker und Nationen treffen, dann sind sie so unterschiedlich gekommen, wie sie sind. Jede und jeder so, wie das Leben, die eigene Geschichte und Kultur sie geprägt haben. Das ist keine konforme Gesellschaft. Was dort passiert, das ist so bunt und irgendwie auch völlig queer.

Wie schaffen sie das, so tolerant und weitherzig zu sein? Warum haben sie es nicht mehr nötig auszugrenzen und sich hinter ihren Traditionen und Denksysteme zu flüchten?

In der Bibel und in vielen Religionen sind Berge besondere Orte der Gottesbegegnung. Auf dem Berg Zion wohnt für die Juden Gott in dem Haus Jakobs. An Gott orientieren sich alle, die auf dem Berg seine Nähe und Begegnung suchen. Sie bringen die Offenheit mit für seine Weisungen und seinen Rechtsspruch.

In all ihren Unterschiedlichkeiten finden sie einen gemeinsamen Nenner, der außerhalb ihrer selbst liegt. Hier können sie sich eins werden.

Wenn zwei sich streiten, dann ist es gut, wenn sie einander ihre Standpunkte und Herkunft deutlich machen, und was sie wünschen und hoffen und eigentlich erwartet haben. Aber würde jede oder jeder nur bei ihrer oder seiner eigenen Geschichte hängen bleiben, dann gäbe es keine Versöhnung und vielleicht noch nicht einmal nur eine friedliche Koexistenz.

Die Streitenden müssen einen höheren Grund oder eine Idee finden, um deretwillen sie vielleicht von ihrer Anklage und Verletzung absehen und aufeinander zugehen können.

Anstatt sich einander zu bekämpfen und die Lebensgrundlage zu zerstören, sorgen sie dafür, dass mit den Pflugscharen Brot für alle da ist und die Winzermesser den Wein für das gemeinsame Fest sicherstellen.

Im Bibeltext von Jesaja werden sie alle auf den einen Gott der Väter eingeschworen.

Das birgt natürlich die Gefahr, sich dadurch auf die sichere Seite schlagen zu wollen und mit dem richtigen Glauben gleich den lieben Gott für die eigene Zwecke und Rechthaberei einzukaufen. Aber wer aufmerksam liest, der oder die bemerkt, dass dies nicht wirklich möglich ist. Gott bleibt über allem erhaben und ist nicht in die Tasche zu stecken, für keinen Kreuzzug und keinen Heiligen Krieg, und nicht von Mr. Bush oder von AlQuaida. "Gott weist die Nationen zurecht", so steht im Bibeltext. Die Entrechteten und Gebeugten und Geschundenen werden s e i n  Recht erfahren.

Der Prophet Micha war ein Kollege und Zeitgenosse Jesajas. Auch er beschreibt die Völkerwalfahrt zum Zion und er weitet das Bild noch aus. "Denn alle Völker gehen ihren Weg, jedes ruft den Namen seines Gottes an; wir aber gehen unseren Weg im Namen Jahwes, unseres Gottes für immer und ewig."

Wenn wir uns zwischen den Völkern und Religionen darauf verständigen könnten, dass unsere oberste gemeinsame Aufgabe ist, die Lebensgrundlage für alle zu sichern und nicht Herrschaftsansprüche und Reichtum zu sichern; wenn wir uns so aufmachen würden auf den Weg zu unserem Berg hinauf, dann würden wir im Miteinander vielleicht bald erkennen können, dass unabhängig vom religiösen Symbol, welches als Symbol ja eben die Sache oder Gott selbst nicht ist, dass Reich Gottes und der Messias längst schon gegenwärtig sind.    

In Christus ist alles Trennende aufgehoben. "Denn es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau "und fügen wir es auch ein: nicht Heteros und Homos" ; denn ihr alle seid >einer<..." Gal. 3:28

"Ihr vom Haus Jakob, kommt- und ihr vom Queergottesdienst, kommt, wir wollen unsere Wege gehen,  lasst uns unsere Träume ernstnehmen, indem wir beginnen, sie auch in Taten umzusetzen, wo wir einen Anfang machen können, kommt, wir wollen wandeln im Licht des Herrn!"

Amen