Predigt Juli 2006
Queergottesdienst am Sonntag, den 16. Juli 2006
Predigt zu Gen 12, 1-4a: Berufung des Abraham
In der (noch) aktuellen Ausgabe der Frauenzeitschrift BRIGITTE findet sich wie so oft in Frauenzeitschriften mal wieder ein Psychotest, mit dem folgende Frage beantwortet werden soll: „Was für ein Loslasstyp sind sie?“
In erster Linie bezieht sich dieses Loslassen natürlich auf Beziehungen, die gescheitert und vorbei sind. Ein Thema, das jeder von uns sicher auch schon das eine oder andere mal durchleben mußte. Wie erging es da jeden einzelnen von uns? Da gibt es die eine Kategorie von Menschen, die ziemlich schnell alles vergessen können, die mit dem Ausprechen des Beziehungsendes auch für sich den endgültigen Schlußstrich ziehen und sich auch schon gleich in die nächste Beziehung stürzen können. Und auf der anderen Seite stehen die Menschen, die eine gewisse Zeit brauchen, den Trennungsschmerz zu verarbeiten. Die damit erst einmal gar nicht umgehen können, die nicht loslassen wollen und alles dafür tun, damit die Beziehung eine Fortsetzung finden kann. Ich gestehe, ich gehöre auch zu dieser Gruppe. Als mein Ex-Freund von heute auf morgen mit mir Schluß gemacht hat, da brach für mich eine Welt zusammen und ich habe einige Monate in Gedanken die Vergangenheit, die Zeit mit ihm immer wieder festgehalten und konnte und wollte nicht loslassen.
Was für ein Loslasstyp bist du ?
In unserem heutigen Predigttext treffen wir auf Abraham. Wenn ich den Brigittetest auf Abraham anwenden darf, dann kann ich klar sagen: Abraham ist ein für mich erstaunlicher Loslasstyp. Hier geht es zwar nicht um eine Beziehung, die gescheitert ist, sondern um eigentlich fast noch viel mehr. Denn Abraham soll fast alles loslassen, was er hat und was bis jetzt seine ganze Existenzgrundlage war soll er aufgeben. In einem Ruf von Gott wird er aufgefordert, sein Land, seine Verwandschaft und das Haus seines Vaters zu verlassen. Ungeheuerlich was Gott da von ihm verlangt. Aber Abraham zögert keine Minute und bricht auf. Er bricht auf ohne zu wissen, wohin die Reise überhaupt geht, der Ruf in eine unbekannte Fremde hat ihn erreicht und er folgt. Im Text heißt es lediglich, das Land, das ich dir zeigen werde ohne genauere Angabe. Wer von uns wäre da wie Abraham aufgesprungen, hätte seine Sachen gepackt und wäre dem Ruf gefolgt? Ich vermute, niemand. Wer läßt sich heute auch schon auf was Unsicheres ein? Wenn ich gehe, dann will ich zumindest wissen, wohin und was mich da erwarten wird.
Abraham dagegen zeigt sich Gott gegenüber absolut gehorsam, er fordert von Gott kein Programm des von ihm geplanten Weges bis hin zu seinem Ziel ab, sondern er vertraut allein auf das Versprechen, das ihm das Ziel zur gegebenen Zeit gezeigt wird. Dahinter steckt ein unheimlich starker Glaube um die Verläßlichkeit der göttlichen Führung.Was bringt Abraham nur zu dieser Sicherheit? Ein ganz besonderer Grund für dieses Vertrauen ist der Segen Gottes für ihn. Die nicht weniger als fünfmal geschehene Erwähnung des Stichwortes „Segen-Segnen“ kann auch gar nicht überhört werden und für Abraham ist klar, daß das, was Gott nun mit ihm geplant hat, eine Verkörperung von Segen für alle sein wird, für seine ganze Umwelt. Und das, obwohl ihm auch noch unmögliches versprochen wird: „Ich will dich zum großen Volk machen“. Das wird einem nun mehr 75 jährigen Mann gesagt, der alle äußere Sicherheit aufgibt zusammen mit einer Frau, die unfähig ist Kinder zu gebären. Wieder würde sich keiner von uns darauf einlassen.
Aber wie wir wissen, hat es sich für Abraham gelohnt , sich darauf einzulassen: er ist in Kanaan angekommen, wo er sich niedergelasssen hat und Sarah, seine Frau hat einen Sohn bekommen.
Ich glaube, so eine Geschichte, wie sie uns im ersten Buch Mose vorliegt, die kann auch uns aufrütteln, die kann auch uns bestärken aufzubrechen in unsichere Zeiten, vor denen wir Angst haben, wenn wir nicht wissen, was auf uns zukommt. Denn die Segenszusage Gottes, die gilt auch für uns heute noch. Jeden einzelnen von uns allen ruft Gott zu: Du sollst ein Segen sein und ich will dich segnen. Und dieses „Ich will dich segnen“ heißt nichts anderes als „Du bist nicht allein, ich bin bei dir“ - so wie es der Gottesname YHWE ausdrückt, der „Ich bin da“. Mit Gott an der Seite kann vieles gelingen, was wir mit unserem menschlichen Verstand für absolut unmöglich halten, mit unserem Glauben an den Zuspruch Gottes aber möglich ist. Und Gott ist für viele Überraschungen zu haben, wenn wir uns nur bedingungslos darauf einlassen. Es lohnt sich!
Ich wünsche uns allen, daß wir uns in so manchen Krisen und wenn wir uns auf neue unsichere Wege begeben, uns dieser Zussage bewußt sind. Das mag vielleicht nach einer schmerzhaften Trennung sein. Auch wenn dich Menschen fallen gelassen haben, Gott hält an dir fest! Er trägt dich so wie in dieser wunderbaren Geschichte von den „Spuren im Sand“, die sicher viele kennen. Und dieser Zuspruch gilt auch meines Erachtens für viele Schwule und Lesben, die gerade ihr Coming Out erleben. Die sich damit auf einen Weg voller Unsicherheiten begeben haben ohne zu wissen, was sie erwartet. Die wie Abraham hoffen, das Land zu finden, wo sie sich niederlassen können, wo sie leben können mit Gottes Segen.
Ein letzter Punkt ist mir aber noch wichtig: Denn es heißt nicht nur von Gott her „Ich will dich segnen“. Es heißt auch: „Du sollst ein Segen sein“ ! - das Motto des ersten ökumenischen Kirchentages von 2003 in Berlin. Und das bedeutet für jeden einzelnen von uns, daß auch wir für andere da sein sollen. Der Segen, der Zuspruch Gottes, den wir erhalten haben, den können und sollen wir auf andere übertragen, denn der Segen soll keine einseitige Angelegenheit bleiben.
Amen