Predigt März 2005

Queergottesdienst am Palmsonntag, den 20. März  2005
in St. Martha Nürnberg

Predigt zu Markus 14, 3-9

Wir haben nun schon seit Wochen Fastenzeit, heute am Palmsonntag beginnt die Passionsgeschichte Jes sich ihrem Höhepunkt zu nähern.

Wir sind in einer Zeit des Fastens und des Verzichtes und hören heute im Markusevangelium eine gänzlich andere Geschichte. Hier bekommen wir keinen Hinweis, wie wir uns demütig und voller Verzicht auf die Ostertage einstellen sollen.

Im Gegenteil.

Wir hören von einer verschwenderischen, ja genußvollen Handlung, man könnte die Geschichte tatsächlich als Fastenbruch bezeichnen.

Wie kann das sein? Hat sich die Erzählung nicht an dieser Stelle in der Zeit geirrt?

Ich recherchiere in der Bibel und finde in allen vier Evangelien die salbende Frau wieder.

Uns wurde sie heute aus dem Markusevangelium erzählt, aber auch bei Matthäus 26, 6-13 wird sie ähnlich geschildert.

Johannes wird sogar persönlich in Kapitel 12, 1-8 und gibt der Frau einen Namen: Maria.

Und bei Lukas 7, 36 -50 erscheint die Frau als die Sünderin, die Jesu Füße mit ihren Tränen benetzt und diese mit ihrem Haar trocknet.

Diese Salbung ist also von größter Bedeutung, wird nicht unter den Teppich gekehrt von keinen der vier Evangelisten.

Was kann uns die Geschichte also mitgeben?

Eine eindeutige Aussage liegt nicht klar auf der Hand, so möchte ich euch einladen, mit mir Gedankenwege, die die Erzählung in mir auslöst, zu gehen.

Es liegt nahe, mich der Frau zuzuwenden, sie spielt die größte Rolle und zieht mich als Frau als Erstes in ihren Bann.

Ich möchte diese Frau kennenlernen und ihr Handeln verstehen.

Zu allen Zeiten in meiner Erinnerung hat mich diese salbende Frau von Bethanien tief bewegt und ihr Handeln ehrfürchig begeistert.

Diese Frau wagt sich in eine Männerrunde, die zusammen essen und trinken, wichtige Gespräche führen, vielleicht das eine oder andere Geschäft beraten oder nach neuen Taten sinnen.

Zur Zeit Jesu hatten Frauen nicht das Recht, gleichwertig mit am Tisch sitzen zu können, ihre Meinung war nicht gefragt und sie waren nicht wichtig.

Sie standen im Hintergrund, im Schatten der Männer, dienend und unauffällig.

Und diese Frau hat den Mut, in dieser Runde ein Zeichen zu setzen und dabei natürlich die Runde zu stören.

Sie tut damit etwas ganz Ungeheuerliches. Wahrscheinlich pochte ihr das Herz bis zum Hals und es erforderte ihre ganze Kraft, in eine Runde hineinzuplatzen, in der es für sie keinen Stuhl gibt und es war wohl die einzige Chance, den Überraschungsmoment zu nutzen, zu Jesus zu gelangen, ohne auf dem Weg dorthin abgewiesen zu werden.

Wahrscheinlich hat sie ihre Handlung schon llänger in ihrem Herzen bewegt und geplant.

Und sie tut es mit ihrer ganzen Überzeugung, nichts scheint sie mehr davon abbringen zu können.

Sie hat etwas ganz Besonderes vor, als Salbende hat sie eine große Würde, weil Salbung einen höheren Auftrag hat.

Sie trägt ein Alabastergefäß mit einem kostbaren Nardenöl bei sich. Sicher trägt man so etwas Wertvolles nicht immer mit sich herum.

Das Gefühl ihrer großen Begeisterung und ihre Überzeugung aus tiefstem Herzen schlägt mir entgegen, wenn ich länger darüber nachdenke.

Sie fragt nach keinem finanziellen Nutzen, berechnet nicht den Wertverlust des kostbaren Öles, sondern handelt, um Jesus eine große Ehre erweisen zu können.

Durch ihre absolute Zielstrebigkeit schafft sie es, dieses Zeichen zu setzen und dies ist auch so ihre einzige Chance, gehört zu werden.

Und das wird sie auch.

Die Männer und Jünger am Tisch quittieren sofort ihr Tun und fragen nach dem Nutzen. Sie zeigen sich unwillig und bezeichnen das Handeln als Verschwendung des Salböles. Es scheint, als finden diese Männer nur solche Handlungen sinnvoll, die ein sichtbares Ergebnis haben.

Und, vielleicht sind sie auch ein bißchen neidisch, nicht selbst auf die Idee gekommen zu sein, Jesus in dieser Form zu würdigen.

Ich möchte die Männer aber eigentlich gar nicht schlecht reden, zu gut kann ich mich selbst in ihre Argumente hineinversetzen, nach dem Sinn einer solchen Verschwendung zu fragen.

Sie haben ja auch einen berechtigten Anspruch in ihrer Beurteilung und vor allem ist auch der soziale Gedanke einleuchtend, dass man mit dem Verkaufserlös armen Menschen hätte helfen können.

Doch Jesus schreitet ein.

Er gewährt der Frau ihr Tun und geht damit eine sehr menschliche Beziehung mit ihr ein. Jesus wird ganz Mensch durch ihre salbende Berührung.

Die Salbung ist eine genußvolle Wohltat, sie spendet ihm Kraft, die er für sich selbst auch braucht, denn er ist sich seines kommenden Leidensweges bewußt. Er gebietet den Männern Einhalt in ihrer Kritik, stellt sich auf die Seite der Frau und bittet seine Jünger, die Frau nicht zu kränken. Er stellt die Salbung als Gutes Werk an ihm heraus und ist sich völlig bewusst, wie mutig und vollkommen die Handlung der Frau ist und weiß darum, daß sie ihm alles von sich gegeben hat.

Und er geht noch einen großen und gewichtigen Schritt weiter, indem er sagt: " Wo immer das Evangelium verkündet wird auf der ganzen Welt, da wird auch gesagt werden, was sie getan hat, ihr zum Gedächtnis."

Er gibt der Frau eine Wichtigkeit, gibt ihr einen Platz in der Geschichte, bis zum heutigen Tag.

Jesus nimmt die Frau ernst, geht auf sie ein, stellt sie auf eine Ebene, die für Frauen in dieser Zeit nicht selbstverständlich war, ganz im Gegenteil.

In der damaligen Männer geprägten Denkordnung eckt Jesus mit Sicherheit in der Gesellschaft an.

Jesus geht auf Randgruppen zu, stellt sich klar auf ihre Seite, weist sie nicht ab.

Das rührt mich, die ich selbst in einer Randgruppe bin, an, ich weiß somit um Jesu Einstellung zu den Ausgegrenzten, er steckt nicht in patriarchalen Mustern fest.

Das macht mir Hoffnung, daß mein Leben so gut ist, wie es ist.

Die Erzählung bekommt eine traurige und melancholische Wendung, denn Jesus nimmt die Salbung zum Anlaß, zum ersten Mal in öffentlicher Runde sein baldiges Sterben anzukündigen.

Und damit bekommt die Salbung einer Frau noch einmal mehr Gewicht.

So wirft sich ein Schatten über diese wunderbare Handlung der Frau an Jesus.

Dennoch verharre ich nicht in der Traurigkeit, sondern bekomme im Gesamten einen Eindruck über die Stärke der Passion der Frau und auch der Passion von Jesus.

Es macht mir Mut, mich hinter meine Überzeugungen zu stellen un mir ein Handeln nach dem Gewissen meines Herzens zuzugestehen.

Trotz all meiner Schwächen und Fehler und der vielen Zweifel, die mich herunterziehen, den Zwang, allem einen Sicherheitsaspekt zugrunde zu legen, aus Angst lieber gar nichts zu tun, bin ich aufgefordert, immer wieder meiner Intuition, meiner Leidenschaft Raum zu geben.

Durch Jesus erkenne ich, dass es unentbehrlich ist, mit ganzem Herzen etwas zu tun, im Blick und mit Liebe zu meinen Mitmenschen.

Erst in dieser Leidenschaft kann etwas Wertvolles wachsen für andere und auch für mich.

Die salbende Frau lädt mich ein, ganz zu mir zu stehen und ganz Gott zugewandt sein zu können und mit mutiger Hingabe genußvoll dem Leben zu dienen. Amen.

Amen