Predigt Februar 2009
Predigt für den Queergottesdienst am 15. Februar 2009
Hörproben und Bodenproben
Lk 8, 4-15
Ihr Lieben,
wer von euch hat gerade Dreck unter den Fingernägeln? (nachsehen..)
Wir sind aus Erde gemacht, wir werden einmal wieder zu Erde, und dazwischen, solange wir hier auf der Erde leben, wühlen wir uns durch so manchen Dreck. Da bleiben größere und kleinere Blessuren, Schweiß, Dreckflecken und Knitterfalten nicht aus. Ich bin mir sicher, dass Jesus das weiß und selbst erlebt hat.
Bei dieser Wühlerei sollen wir also guter Boden sein für Gottes Wort, damit in unserem Leben etwas wachsen kann. Okay, Jesus, wie meinst du das? Also jetzt Ärmel hochkrempeln, Dornen ausrupfen, Steine klauben und mit dem spirituellen Presslufthammer Asphalt und Felsen zu Leibe rücken? Dann wird’s auch was mit der guten Frucht, so wird man ein 1A Christ. (Herr, bewahre mich vor selbstgerechtem religiösem Aktionismus.)
Ich möchte jetzt erst einmal darstellen, wie Jesus es vermutlich nicht meint.
Jesus stellt hier vier unterschiedliche Typen Mensch dar, zeichnet sie klar mit seinen Worten. Und was macht er dann? Er beruhigt die Frauen und Männer, die ihm aufmerksam und hingebungsvoll zuhören, nicht mit den Worten „Ihr seid natürlich die Guter-Boden-Menschen. Die anderen drei Sorten stehen dort drüben. Diese junge Frau dort zum Beispiel ist der Fels-Typ, schnell zu begeistern, aber keine Substanz dahinter. Und er hier: zu depressiv. Dornen über Dornen, klar, dass da kein stabiler Glaube heranreifen will. Ihr hier, die ihr nachgefragt habt, was das Ganze soll: Bei euch ist der Boden gut, keine Sorge. Und wenn nicht: Klaubt Steine!“
Macht er nicht!
Geht es um vier verschiedene Typen Mensch? Geht es um Entwicklungsstufen?
Man könnte das Ganze nämlich auch noch auf eine andere Weise missverstehen, nämlich im Sinne eines spirituellen Vier-Jahres-Plans: „Erst war alles bei mir zugepflastert. Als Gottes Wort mich geöffnet hat, war ich zuerst sehr begeistert, aber natürlich ohne Tiefe des Glaubens. Nach der Zeit der ersten Euphorie kamen dann Sorgen auf mich zu, die alles erstickt haben. Mit Gottes Hilfe habe ich Steine geklaubt und Dornen ausgerissen. Inzwischen habe ich all das hinter mir gelassen und kann nun völlig guter Boden sein.“
Ich denke nicht, dass es Jesus um eine religiöse Typenlehre oder Stufen der geistlichen Vervollkommnung geht.
Die vier Bilder in diesem Gleichnis sind sehr schlicht und sehr stark. Sie erinnern ein wenig an vier Jahreszeiten, oder an vier Himmelsrichtungen: Ein viel begangener Weg. Karger Fels, auf dem einige Pflänzchen ums Überleben kämpfen. Daneben Dornengestrüpp, daneben ein blühender Acker. All diese Landschaftsformen gab es zu Jesu Zeit, sie waren ein alltäglicher Anblick. Und sie sind auch uns heute vertraut, wenn man sich mal aus der Stadt herausdenkt.
Und ich denke: all diese Landschaftsformen gibt es auch in meinem Herzen. Gleichzeitig, nebeneinander, auch abwechselnd nacheinander. Es gibt sie. In meinem Herzen und im Herzen jedes anderen Menschen. So ist die Welt. So ist das Leben. Und ich bin sicher: Der große Sämann (oder die göttliche Bäuerin) weiß genau, wie wir gestrickt sind.
Jede und jeder kann sich innerlich auf den Fels an seinem Wegesrand setzen und zurückschauen in die letzte Woche, in die letzten Monate. Da war alles mal dran. Jede denkbare Vegetationsform … Dorniges Gestrüpp. Euphorie. Hören. Hetzen auf dem Weg.
Der Weg. Die festgetrampelte Alltagsroutine, in der das gute Wort nicht greifen kann. Natürlich ist Routine auch etwas Wichtiges, damit wir funktionieren. Ich kann nicht jeden Morgen hinterfragen, ob, und wenn ja, wie ich Kaffee kochen und die Zähne putzen soll. Manche Arbeit würde ohne Routine dreimal so lange dauern. Es ist ja auch gut, dass es Pläne gibt, an die man sich halten kann. Und doch kosten uns diese Pläne oft die Freiheit, uns berühren zu lassen von ungeplanten Vorkommnissen. Wie viele gute Impulse, die wir eigentlich mit hineinnehmen wollten in unseren Alltag, haben es gerade mal bis zum nächsten Gedankensprung geschafft und waren dann einfach weg? (Wie viele? Wir können nur raten, denn wir haben sie ja vergessen.) Wie oft haben wir die besondere Bitte eines Freundes übergangen, weil gerade keine Zeit war? Oder haben einen leisen Zwischenton gar nicht erst bemerkt?
Mir fallen noch andere Routinen ein: Verhaltensroutinen, an die man selten bewusst herankommt. Ich habe zum Beispiel ein jahrzehntelang perfektioniertes System, mit Kritik umzugehen beziehungsweise nicht umzugehen. Ich habe in meinem Leben schon oft das Wort gehört, dass ich von Gott angenommen bin, und mir vorgenommen, freundlich und geduldig zu bleiben, wenn mich jemand angreift. Und doch genügt es, wenn mein Gegenüber ein, zwei mysteriöse Knöpfchen drückt, und schon rudere ich und haue vollautomatisch um mich. Pick, pick, da waren die Vögel, und alle Gewissheit und alles Gottvertrauen ist auf einen Schlag aus meinem Herzen verschwunden.
Der Weg. Ich denke an eingetretene Pfade in meinem Leben.
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Gott denkt auch an die eingetretenen Pfade in meinem Leben. SIE sät auch auf den Weg. Ganz schön verschwenderisch, in diesem Gleichnis.
Habt ihr es nicht auch schon erlebt, dass ein göttliches Wort euch genau in so einer eingefahrenen Situation voll erwischt? Ein Spruch, der in einem fremden Klo hängt, der passt wie die Faust aufs Auge. Ein Freund oder eine Freundin, die genau die richtigen Worte sagt, und plötzlich fällt mein hilfloses Gerudere und Gefuchtel in sich zusammen.
Es gibt Momente, da hat Gottes Wort die Kraft eines Löwenzahns, der durch Asphalt bricht.
Der felsige Boden. Auch hier gibt es einen harten Untergrund, auf dem vielleicht schon eine dünne Schicht Humus liegt, aber nicht genug, um ordentlich Wurzeln zu schlagen. In diesem Bild steckt beides: Euphorie und Unsicherheit. Etwas Neues will wachsen, etwas soll, muss wachsen, aber es ist noch nicht gefeit gegen Dürre, gegen die Prüfungen des Lebens. Vielleicht versuche ich gerade, mir das Rauchen ab- oder Pünktlichkeit anzugewöhnen. Oder Verantwortung zu lernen. Und dann kommt ein Tag, der mich an meine Grenzen stoßen lässt, und schon ist’s vorbei mit den guten Vorsätzen. Das schmerzt besonders, wenn ich mit viel Hoffnung und Begeisterung begonnen habe. Vielleicht schmerzt der Verlust dieser Hoffnung und Begeisterung sogar noch mehr als das Scheitern an sich. Es ist kein Boden da, oder er ist zu dünn. Ich denke an die felsigen Stellen in meinem Leben.
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Gott sät auch auf den felsigen Untergrund. Es gibt die Euphorie, die nicht weit trägt, und auch sie darf sein. Wir wissen es im Moment des Beginns ja nicht genau, wie tief der Boden ist. Aber ohne Euphorie würden wir vieles gar nicht beginnen, was sich später als schwierig erweisen und an unsere Grenzen / in Gottes Arme treiben kann.
Auch dafür ist es gut, das kleine Rinnsal, der dünne Trieb.
Und es gibt kaum ein fröhlicheres Bild für etwas Lebendiges, das sich durchgesetzt hat, als eine Latschenkiefer, die in unmöglichen Winkel von einem Felsen wächst Und wenn man Felsen von ganz Nahem betrachtet, findet man – winzig klein, aber zäh – Flechten und Moose. Es scheint, dass Gottes Wort auch für die unwirtlichen Vegetationszonen unseres Lebens etwas bereithält!
Das Dornengestrüpp. Ach, wie einfach wäre es, ein 1A-Christ zu sein, wenn die ganzen Beikräuter in Form von Sorgen, Zweifeln und dummen Gedanken nicht wären. Und ich denke, hier geht es nicht um Pillepallesorgen wie ‚was soll ich bei meinem Date bloß anziehen’ oder ‚ich habe 5 kg zugenommen’.
Es ist schwer, dankbar zu bleiben, wenn man keinen Job findet oder befürchtet, seinen Job zu verlieren. Es ist schwer, das Gottvertrauen zu bewahren, wenn man einen lieben Freund mit einer schweren Krankheit begleitet, das Elend ansehen muss und dennoch Zuversicht vermitteln will. Und nun steht hier auch noch etwas davon, dass die Freuden des Lebens die Saat ersticken können. Also vielleicht bin ich gerade frisch verliebt und werde so angehimmelt, dass ich ganz überheblich und undemütig davon werde? Wenn alles super gut läuft im Leben, kann man auch wundervoll ins Meckern auf hohem Niveau rutschen …
Es gibt so viele Sorgen und Freuden im Leben, die sind einfach da. Aber manchmal werden die Dinge, die mich beschäftigen, so zahlreich oder dicht, dass ich einfach nicht mehr durchsehe…
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Es gibt in der heutigen Landwirtschaft chemische Stoffe, die streut man aufs Feld und alles was da wächst wird platt. Das scheint aber nicht Gottes Art zu sein. ER sät verschwenderisch auch unter die Dornen. Mit bloßen Händen Gestrüpp zu lichten ist mühsam, die Dornen sind häufig auch unterirdisch miteinander verbunden. Und wie ich durch die Brombeeren in unserem Garten weiß, hört dieser Kampf nicht auf, sondern zwingt uns unser Leben lang, immer wieder das Zeug zu sichten und mit Gottes Hilfe zu lichten, damit die guten Dinge Licht und Luft bekommen und zur Reife gelangen können.
Die gute Erde. Hm. Es ist leichter, Krieg zu definieren als Frieden, und leichter, schlechte Wachstumsbedingungen zu skizzieren als gute. Liest man den Predigttext in verschiedenen Übersetzungen nach, so liest man von feinen, guten, aufrichtig liebenden Herzen, die Gottes Wort gehört haben und bewahren. Man liest – ich sage es noch einmal – nichts von chemischen Unkrautvernichtungsmitteln, Dynamit oder hemdsärmeligem Steineklauben, frommem Aktionismus oder dergleichen. Am Anfang von jeder Landschaftsbeschreibung steht das Hören des Wortes, danach geht es unterschiedlich weiter.
Was ist Gottes Wort? Wie sieht es aus, wie fühlt es sich an?
Das Hören ist wichtig. Es ist der erste Sinn, den das Kind im Mutterleib entwickelt, und angeblich der letzte, der bleibt, wenn ein Leben zuende geht. Ich kann schon etwas tun, um mein Hören zu fördern: Ich kann versuchen, zu üben, die eigenen Gedanken und Dornenranken ein wenig auf die Seite zu schieben, etwa so, wie ich in meinem Zimmer durch Aufräumen freie Flächen herstellen kann, die dann Raum für neue Gedanken schaffen. Ich kann üben, mit Gottes Reden öfter zu rechnen, denn es geschieht ja oft gerade nicht in typisch religiösen Situationen wie mitten im Gottesdienst. Ich kann mir Zeit zum Hören bewusst reservieren. Ich kann versuchen, wach zu sein. Sehr viel mehr kann ich eigentlich nicht tun.
Es gibt keine Vegetationsform in unserem Leben, mit der Gott überfordert wäre oder die wir vor IHR verstecken müssten. Wo auch immer wir nicht weiterkommen, tut es gut, mutig eine Bodenprobe zu nehmen und im Licht Seiner Liebe zu beackern.
Begraben wir die Hoffnung, jetzt und für alle Zeit zu der Fraktion „Guter Boden“ zu gehören. Finden wir uns damit ab, dass im Leben alle möglichen Zustände zu finden sind, und sie verändern sich auch noch mit der Zeit… An einem Ort, wo ich mal fleißig geackert habe, sind die Dornen hochgekommen. Wo ich gerade mit Hilfe des Meistergärtners Dornen gerupft und Platz geschaffen habe, stelle ich nun erschrocken fest, wie dünn doch die Krume ist. Wenn man um die vielen Gefahren für die Saat weiß, dann wird erst klar, wie wunderbar es ist und wie unselbstverständlich, wenn guter Boden da ist und etwas wächst – Geduld, Kraft, Gottvertrauen, echte Liebe.
Das Reifen ist immer Gnade.
Und die Gnade Gottes, die höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus und lasse uns wachsen auf ihn hin.
Amen