Predigt Februar 2018

Queergottesdienst am 18. Februar 2018 in St. Johannis

 

Predigt zu 1. Mose 12,1-4a (Abrams Berufung und Zug nach Kanaan)

 

Gnade sei mit uns und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Liebe Queergemeinde,

 

während sich der Wegzug von Zuhause bei Matthias und mir um den Zeitpunkt der Volljährigkeit drehte beziehungsweise im Alter von 20 bis 30 Jahren bei den meisten abspielt, war Abram bereits 75 Jahre alt. „Einen alten Baum verpflanzt man nicht“ lautet ein Sprichwort. Trotzdem mutete Gott ihm das zu: Geh aus deinem Vaterland, weg von deiner Verwandtschaft und aus deinem Elternhaus, in ein unbekanntes Land, das ich dir zeigen will. Was, ich soll aus meiner vertrauten Umgebung, in ein fremdes Land, für immer? Da wären wohl die meisten Menschen unsicher oder haben Angst. Verständlich. Aber der Herr spricht, dass er Abram dieses Land zeigen will. Er begleitet ihn also, so zu sagen ist er sein Reiseführer. Und ganz wichtig: Gott segnet Abram, seinen Wegzug ins neue Land und sein Aufenthalt stehen immer im Schutz des Segens des Herrn. Denn Gott hatte große Pläne mit Abram und seinen Nachkommen. Er schließt mit ihm den ewigen Bund, will ihm einen großen Namen machen und soll viele Nachkommen haben. Gott gibt ihm später den Namen Abraham, das heißt Vater vieler Völker. Und so geschieht es auch, das Geschlecht Abrahams vermehrt sich. Drei Religionen (Judentum, Christentum und Islam) haben Abraham als Stammvater und alle seine Nachkommen sollen gesegnet sein hier auf Erden. Die Bibel hat reichlich Verweise auf diese Zusage: Er soll ein großes und mächtiges Volk werden und alle Völker auf Erden in ihm gesegnet werden (1. Mose 18,18). Gott spricht: „Ich will dein Geschlecht segnen und mehren wie die Sterne am Himmel und wie den Sand am Ufer des Meeres, und deine Nachkommen sollen die Tore ihrer Feinde besitzen; und durch dein Geschlecht sollen alle Völker auf Erden gesegnet werden, weil du meiner Stimme gehorcht hast.“ (1. Mose 22,17-18) „Dein Geschlecht soll ausgebreitet werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter gesegnet werden auf Erden.“ (1. Mose 28,14)

 

Nun hat Gott sicherlich nicht mit einem von uns, hier aus der versammelten Gemeinde, direkt gesprochen und uns aufgefordert, Haus und Hof für das Unbekannte zu verlassen. Jedoch ist es der normale Weg, der Gang der Dinge, dass sich ein junger Mensch ab dem Jugendalter mehr und mehr von seiner Familie abnabelt. Im Anfangsimpuls haben Matthias und ich das exemplarisch vorgetragen. Die Interessen ändern sich, man geht eigene Wege, wird selbstständig, man braucht nicht mehr für jeden Schritt Mutti und Vati. Die Tochter macht ihr Abitur, studiert in einer anderen Stadt, absolviert Praktika im In- und Ausland. Nach Abschluss des Studiums eventuell ein Sabbatjahr oder es geht gleich ins Berufsleben, oft wieder mit einem Umzug verbunden. Ein Partner oder eine Partnerin ist vielleicht schon vorhanden, man zieht in eine gemeinsame Wohnung, viele gründen eine Familie. Unsere Berufung und unser Aufbruch lassen sich in wenigen Sätzen effizient erzählen, es sind aber gewaltige Umbrüche! Ein Mensch nimmt es auf sich seine Familie und seine gewohnte Umgebung zu verlassen und Freunde sind auch noch da. Für manche ist es eine Überwindung, für andere lang erseht. Die einen legen Wert auf Sicherheit und Vertrautheit, die anderen wollen ihre Abenteuerlust ausleben. Bei diesen Umbruchphasen und allen weiteren wichtigen Stationen im Leben muss jede und jeder herausfinden, was der richtige Weg für sich selbst ist. Wir sollten diese Entscheidungen nicht anderen überlassen. Das kann man zwar machen, aber so wird man nie die eigene Berufung herausfinden und jemals unabhängig sein. Natürlich kommt bei uns LGBTI*-Menschen ein weiter Brocken hinzu: Das Coming-out. Mit dem Empfinden oder Vermuten unserer sexuellen Identität sind wir erstmal alleine. Das Erkennen kann nur durch uns kommen. Das Äußern und der Umgang damit sind – wie ich finde – trotz vieler Fortschritte weiterhin problematisch. Hier sollte keine und keiner alleingelassen sein und vielmehr auf eine verständnisvolle Umgebung treffen. Viele queere Menschen sehen es nicht als eine Berufung an in die Großstadt zu ziehen, sondern als eine Notwendigkeit um ihre Identität leben zu können.

 

Ja, Berufung und Aufbruch schön und gut, aber hat der Herrgott den treuen Abraham auch gut ausgestattet für seine Mission? Ja, Gott hat Abraham reich gesegnet, indem er ihm Schafe und Rinder, Silber und Gold gegeben hat, Knechte und Mägde, Kamele und Esel (1. Mose 24,35). Alles wichtig für Landwirtschaft, Selbstversorgung, Bau, Handel und Transport. Gott hebt Abraham hervor, sein Geschlecht ist immerhin das von ihm auserwählte Volk und dessen Gegner will er unschädlich machen: „Ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen“ (1. Mose 12,3a). Gott stellt Abraham seinen Engel zur Seite, der ihn auf seinen Wegen behütet und ihn sicher an den Ort bringt, den der Herr für ihn bestimmt hat. Gott sichert Abraham zu, wenn er auf die Stimme des Engels hört und tut was ihm sein Schöpfer sagt, so sind Abrahams Feinde auch Gottes Widersacher. (2. Mose 23,20.22) Ja, Gott ist hier nicht nur nett und freundlich, sondern kämpferisch und parteiisch.

 

Es ist hier viel die Rede von Abstammung und Geschlecht. Und es drängt sich vielleicht der Eindruck auf, dass es ausreicht ein Nachkomme aus dem Hause Abrahams, dem gesegneten des Herrn, zu sein. Aber wer nicht nach Gottes Geboten lebt, ist nicht gesegnet auch wenn er aus dem Geschlechte des Ur-Vaters stammt. Schließlich hat unser Gott dem Abram kein Blankoscheck gegeben, mit dem er jeder Zeit ohne Bedingungen unter dem göttlichen Schutz und Segnen durch die Lande wandeln kann. Immer wieder wird ihm von Gott eingeschärft, auf seine Stimme zu hören und seine Gebote nicht zu übertreten. Anders ausgedrückt, er soll nicht vom Glauben an seinen Gott abfallen. Der Herr schickt ihn immerhin in ein fremdes Land mit unbekannten Einwohnern. Abram ist mit einer anderen Kultur, fremden Sitten und Gebräuchen und anderen Religionen konfrontiert. Manch Verlockungen warten auf ihn.

 

Auch wenn wir in eine andere Ecke Deutschlands ziehen und natürlich erst recht ins Ausland, müssen wir uns erstmal zurechtfinden. Wir müssen mit der anderen Mentalität der Menschen klarkommen, der Bürokratie und Infrastruktur. Wie bekomme ich eine Wohnung? Wie läuft das mit der Ausbildung, Studium und Arbeit ab? Wo bekommt man Anschluss? Man muss sich durchfragen. Es läuft nicht immer alles glatt, man hat manchmal das Nachsehen, fühlt sich überfordert. Wenn etwas schief läuft, bekommt man es unter Umständen nicht mehr ganz gerade gebogen. In solchen Situationen oder wenn man sich einfach nicht zurechtfindet, kann man schnell den Glauben verlieren: an andere Menschen, an den Staat, an sich selber und seinen Fähigkeiten, an seinen Überzeugungen. Haben wir in solchen Situationen innegehalten, die Hände gefaltet und zu Jesus gebetet? Sei es in einem ersten Schritt, um die Probleme und den Ballast, die an uns hängen und uns herunterhängen lassen, Jesus vor die Füße zu legen. Sicherlich damit ist es nicht getan. Aber es muss Raum geben die Problemlage auszusprechen und idealerweise auch einem Menschen mitzuteilen. Wenn man die Suche nicht aufgibt, kommt in irgendeiner Weise Hilfe. Man betet für eine Lösung, sicherlich nicht für ein Ergebnis, das man sich mal ausgemalt hat und von dem man inzwischen weiß, dass es unrealistisch ist. Das überlässt man nun Gottes Fügung. Ja und dann tut sich, oft vom gewünschten Zeitpunkt und der Form abgekoppelt, eine Lösung auf. Gott hat durch Abraham sehr viele gesegnete Kinder, vielleicht hat eins zur Lösung des Problems beigetragen. Dann kommen wir zur Ruhe, können reflektieren und lernen und danken unseren Schöpfer durch Jesus Christus, dass er uns durch dieses Problem, diese schwierige Situation begleitet und getragen hat und uns die richtigen Menschen zur rechten Zeit zur Seite gegeben hat.

 

Auch wir sind die Söhne und Töchter der Propheten und des Bundes, den Gott geschlossen hat mit den Ur-Vätern als er mit Abraham sprach: Durch dein Geschlecht sollen gesegnet werden alle Völker auf Erden. (Apg 3,25) Auch wir queere Menschen haben Gottes Segen erhalten und sollen diesen weitergeben.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.